Leschede – Schnellzugdampf und schwerer Güterverkehr zwischen Rheine und Emden

Ausweichgleis für Güterzüge an der Emslandstrecke

Nach und nach wird wohl auf dieser Seite praktisch die gesamte Emslandstrecke ihre Abbildung finden. Leschede, dem wir uns in diesem Artikel widmen, ist seit 1965 Teil der Samtgemeinde Emsbüren und liegt oberhalb von Salzbergen. Hier ließ die Elektrifizierung noch einige Zeit auf sich warten, sodass Aufnahmen der „alten Bundesbahn“ gemacht werden konnten.

Der Auswahl eines Fotostandorts liegen häufig mehrere Abwägungen Zugrunde. Da ich selbst nie Teil einer solchen Exkursion ins Emsland wurde, da meine Wenigkeit erst Jahre nachdem der letzte Dampfer sein Feuer verlor, das Licht der Welt erblicken durfte, kann ich natürlich nur Vermutungen anstellen. Diese gründen maßgeblich vor allem auf dem Material, welches mein Vater im Archiv so hinterlassen hat und dem, was die immer weniger werdenden Weggefährten so zu erzählen hatten oder haben.

Da wären viele Aufnahmen auch und vor allem aus Leschede zu erwähnen. Schaut man sich diese Aufnahmen an liegt der Schluss nahe dass Leschede vor allem deshalb so interessant gewesen sein muss, weil an dem kleinen Bahnhof zum einen die mit 01.10 bespannten Durchgangszüge eben mit Volldampf durchrauschten, während gleichzeitig zum anderen die Güterzüge auf Ausweichgleisen eben jenen Schnellzügen Platz zur Überholung machen mussten. Zwar galt es aus naheliegenden Gründen die schweren Erzzüge möglichst nicht zum Halt zu nötigen, aber die Emslandstrecke hatte ohnehin weit mehr Güterzüge zu bieten als nur den Langen Heinrich. Dadurch fanden in Leschede gleichermaßen viele Anfahrten von nicht selten schweren Güterzügen statt, wie auch durchrauschende 44er unter Volllast und natürlich die 01.10er von und nach Emden und Norddeich. Eine Win-Win Situation sozusagen für den Eisenbahnfreund.

Die Emder 44 1315 / 043 315-1

Den Anfang der Serie im Bereich Leschede macht die zu diesem Zeitpunkt in Emden stationierte 043 315-1, die bis zu ihrer letzten Dienststelle schon ganz schön rumgekommen ist. Immerhin 16 Beheimatungen von Minden bis Nürnberg und hoch nach Emden kann sich die 1942 von Krupp in Essen gebaute Lok ins Betriebsbuch schreiben. Bis zum Ende der Dampflok in Deutschland, also bis Ende Oktober 1977 wurde auf ihr noch Plandienst geschoben. Die Lok existiert noch heute und ist von der Stadt Kornwestheim, wo sie ehemals als Denkmal am Bahnhof aufgestellt war, als Leihgabe an das Märklin Museum gewandert.

Leschede liegt, wie alles hinter Salzbergen, in Nordwest / Südost Achse, was es für den Fotografen nicht einfach macht. Alles, was aus Richtung Süden hoch an die See möchte steht dadurch, je nach Tageszeit im direkten Gegenlicht. Zieht dann noch der Nebel über die Felder ist eine geschickte Hand des Archivaren gefragt um das Bildmaterial vorzeigbar aufzubereiten. So zeigt sich auf obigem Bild 043 315-1 noch bei ziemlich grauem Himmel. Es markiert gleichzeitig auch das erste Bild aus Leschede mit der Ordnungsnummer 9 auf dem DIA-Film. Die 1-9 sind übrigens ins Salzbergen entstanden, danach geht es in Lingen weiter. Hierüber wird auch noch zu berichten sein.

Exkurs Spannwerk

Ebenfalls prägnant und nicht minder stilgebend auf dem Bild sind die damals vielfach die Trassen prägenden Spannwerke. Ein Relikt, welches heute praktisch gänzlich aus dem Schienenverkehr verschwunden ist. Mit dem Einzug der Lichtsignale wurden die mechanischen Spannwerke überflüssig. Das Logo von Posten 17 ziert auch ein Spannwerk von der Emslandstrecke. Grund genug ein paar Worte dazu fallen zu lassen. Heute vermittelt das Spannwerk eine unaufgeregte Romantik an eine analoge Zeit, die sicher im wahrsten Sinne beschwerlicher war, aber vermutlich auch mehr Seele hatte. Durch die Spannwerke konnte sicher gestellt werden, dass die rein mechanisch funktionierenden Formsignale oder Weichen sicher vom Stellwerk aus betätigt werden konnten, da der notwendige Hub durch ausreichende Spannung auf die Mechanik wirken konnte. Längenausdehnungen durch Wärmeeinwirkung können vor allem auf großen Distanzen sonst dafür sorgen, dass ein durchhängendes Seil nach dem Betätigen im Stellwerk nicht wie gewünscht den mechanischen Antrieb betätigt, sondern nur das durchhängende Stahlseil „nachstrafft“.

Außerdem dienten die Spannwerke in einem weiteren Punkt ganz wesentlich der Betriebssicherheit, waren sie doch dafür verantwortlich, dass bei einem Leitungsbruch die entsprechenden Signale automatisch auf Halt gestellt wurden und nicht irrtümlich Fahrt anzeigen konnten. Den Frühsemestern mag das Spannwerk, wohl ebenso wie z.B. die Telegrafenleitung und das Formsignal, das Gefühl der guten alten Bundesbahn vermitteln. Spätgeborenen wie ist es mehr oder weniger der Inbegiff für die Nebenstrecke, auf denen aus naheligenden Gründen die Modernisierung später begann.


Fahren wir fort mit der Bilderserie aus Leschede. Das nächstfolgende Bild auf dem Film wird auch direkt das nächste hier im Artikel. Es hängt noch eine ganz schöne „Suppe“ am Himmel und auch auf dem Boden. Die Bildverarbeitung macht es möglich dennoch etwas aus dem Bild heraus zu holen, wenngleich das Schwarze Ross bereits ganz schön abgesoffen ist. Rechter Hand sehen wir den Bahnsteig sowie das Bahnhofsgebäude von Leschede und abermals eine ganze Batterie Spannwerke.

Insgesamt kann wie erwähnt Leschede wie viele Bahnhöfe an der Emslandstrecke keinen ausgewiesen schmeichelhaften Stand der Sonne und damit des Lichts ermöglichen, zumindest wenn man in Betracht zieht dass man sowohl mehr als zwei Stunden An- und Abfahrt einkalkulieren muss und man in den Sommermonaten mit hochstehender Sonne vor allem eins hatte: harte Schatten. Gerade bei einem an sich ohnehin schwarzen Motiv ist das natürlich alles andere als vorteilhaft. Wie pflegte mein Vater häufiger zu sagen:“Mittag ist Mist“ – um nicht selten sodann eine nahegelegene Pommesbude aufzusuchen. „Dabei sein ist alles“ könnte man auch sagen. Immerhin war man da und hat es live erlebt. Nur dem Chronisten bleibt es übrig den Mut zu haben in den Resten und irgendwie aus den Bildern die damalige Stimmung zu destillieren – oder das von dem man glaubt es hätte sie gewesen sein können. Hier hilft natürlich auch das Super 8 Video (weiter unten) sehr weiter.

Chemische Industrie im Emsland

41 245 vor Hp 0, 1974
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41 245 vor Hp 0, 1974
CC BY 4.0

Nicht nur, dass Emden ein dankbarer Hafen dafür war, dass man auf der Emslandstrecke praktisch das ganze Portfolio damals gängiger und gängig werdender (Container) Güterwaggons sehen konnte. Das wenig besiedelte Emsland hatte und hat doch auch vor allem bedeutende Chemische Industrie welche mit dem Zug angeliefert werden wollte.

So begegnete meinem Vater 41 175, eine Jung Lok die 1958 auf Ölhauptfeuerung umgebaut wurde und dadurch das Gnadenbrot im Bw Rheine immerhin noch bis Ende September 1976 erhalten durfte. Oder musste sie es sich verdienen? Jedenfalls zieht sie hier einen im Vergleich zur sonstigen Transportleistung kleinen Güterzug bestehend aus Kesselwagen über die Trasse.

Einen Gemischtwarenladen hingegen hat 41 245 bzw. 042 245-1 am Haken.

Es gibt noch ein weiteres Bild. Da die der Zug bzw. die Lok aber mittlerweile aus der Festbrennweite lief, sparen wir uns das.

Die heutige Museums-Dampflokomotive 41 096 im Alltag

Für so einen Jungspund wie mich bleibt es etwas besonderes eine Dampflok in ihrer natürlichen Bestimmung zu sehen, kenne ich sie doch nur als Sonderleistung welches die Menschen in Scharen zur Eisenbahn drängen lässt. Dass sich all diese Maschinen einmal im harten Arbeitseinsatz bewähren mussten, ist manchmal schwer begreiflich, zumal so manche Lokomotive heute länger Museumslok ist als normale Plandienstlok war.

Das trifft auch für 41 096 zu. Sie wurde 1939 in Dienst gestellt und brachte es dank des Umbaus auf Ölhauptfeuerung 1960 auf insgesamt 38 Betriebsjahre für die Deutsche Reichsbahn bzw. Deutsche Bundesbahn. 1978 ging sie an die Dampflok Gemeinschaft 41 096, von der sie bis heute bereits im 42. Museumsjahr betreut wird.

Betriebsfähig ist sie allerdings derzeit nicht.

Mit auf das Bild geschafft hat es das Stellwerk Ln, eines von zweien in Leschede die bis heute Bestand haben – wenn auch natürlich heute modernisiert. Auch hier spielt das Spannwerk wieder eine Rolle, benötigte der rein manuelle Eisenbahnbetrieb doch an jeder Milchkanne ein Stellwerk.

41 096 Anfahrt in Leschede
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41 096 Anfahrt in Leschede
CC BY 4.0

Langer Heinrich im Super 8 Video

Schon die Überschrift verheißt den Langen Heinrich, doch keines der Bilder zeigte ihn bisher. Ich weiß auch nicht warum mein Vater versäumte ihn abzulichten. Um nicht ganz ohne Bild des Langen Heinrich diesen Artikel zu beenden, schiebe ich einfach eine Aufnahme von einem anderen Zeitpunkt ein – zumindest ist das bis dato zu vermuten.

44 1290 bzw 043 290-5 war erst kurze Zeit im Bw Emden beheimatet. Sie wurde gerade frisch aus Trier (Ehrang) nach Emden umstationiert und dort bereits ein Jahr später ausgemustert.

Bahnalltag in Leschede 1974 auf Super-8

Auf den Super 8 Aufnahmen des Tages, an dem auch obige Bilder entstanden sind, ist dann nun endlich auch der Lange Heinrich mehrfach dabei.

  • 0:20min Hier beginnt die Szene mit 41 096, die mit ihrem schweren Güterzug in Leschede halten und somit erneut anfahren musste
  • 1:18min 01 1061 rauscht durch den Bahnhof
  • 1:25min Ein Nahverkehrszug mit V160 und POP-Wagen
  • 2:00min Langer Heinrich aus Emden betritt die Bühne
  • 3:07min Sehr schön zu sehen dass zuerst das Ausfahrsignal auf Fahrt gestellt wurde und erst danach die Schlagbäume der Bü gelegt werden. Ob das den Vorgaben entsprechend ist?

Links / Quellen / Empfehlungen

Schlussbemerkung

Die hier im Artikel gezeigten Bilder konnten in mühevoller Kleinarbeit aus unterschiedlichen Lagerorten (Diakasten, Umschlag, Aktenordner) auf dem Leuchttisch wieder so zusammengefummelt werden, dass die Serie komplett ist. Mit den Ordnungsnummern 09 – 19 sind sie am Stück, händische Schnittkanten der einzelnen Dias geben hier Gewissheit. Ich erwähne das deshalb, weil ich es erneut frappierend finde wie unterschiedlich die Qualität der Dias nur aufgrund ihrer Lagerung ist und wie unterschiedlich sie altern. Das einzige Hochkantfoto hier im Artikel hatte die mit Abstand beste Ausgangsqualität. Es galt für meinen Vater motivlich aber als Ausschuss und war mit vielen weiteren in einem einfachen Umschlag gelagert.

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Die Kartenansicht enthält alle Bilder, zu denen Standorte bekannt oder rekonstruierbar sind. Da es sich um historische Aufnahmen handelt, sind dies natürlich Näherungswerte und nicht auf den Meter genau.

Ein Kommentar

  • Moin,
    Wundervolle Bilder aus meinem Heimatort ! Total schön sowas noch einmal zu sehen… Heute im Rausch von neumodischen Drehstromloks umzingelt hat doch die Stellwerkstechnik nach wie vor überlebt, sogar ganz neue Formsignale haben wir vor einigen Monaten bekommen. Danke für die schönen Bilder.

    LG aus dem Emsland


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