Dampflokparadies Bw Rheine R 1975

Ölkocher im Emsland zwischen Tradition und Traktionswandel

Das sind Zustände, von denen man im heimischen Bergischen Land seit etlichen Jahren bereits nur noch träumen konnte. Das wird auch der Grund sein, warum diese Spulen und Dias wieder und wieder im Projektor landeten. Die liebe Not mit dem Material aus Rheine hat über 40 Jahre später nunmehr der Archivar, der das runtergekommene Zeug irgendwie zeigbar bekommen will.

Doch manchmal hat ein Archivar auch Glück. Dann z.B., wenn noch vollkommen unangetastete Dias in den Diataschen schlummern. Sie sahen wohl nie Licht und auch keine Feuchtigkeit oder zu große Wärme, was dem Material und der Veröffentlichung hier sehr zu Gute kommt – wenn man einmal davon absieht dass der Film an sich recht grob auflöst. So ist schon das erste Bild trotz aller Qualität insofern ernüchternd, als dass man keine der dort zu sehenden Loks identifizieren könnte – auch nicht in höchster Auflösung welche praktisch das einzelne Filmkorn aufzulösen vermag. So beherbergt der Ringlokschuppen des Bw Rheine auf dem Bild gerade zahlreiche Lokomotiven die alle unidentifiziert bleiben.

Deutlich zu erkennen ist neben dem guten Wetter, man muss ja nicht immer nur Pech haben, vor allem jedoch dass sich ausschließlich Ölkocher in Rheine befinden. Als Auslauf-Bw hat Rheine vor allem aus Hamburg die ölgefeuerten Schnellzugdampfloks der Baureihe 01.10 sowie ölgefeuerte Pendants der Baureihen 41 (042) sowie 44 (043) zugeteilt bekommen. Rasch wurde sozusagen für jede „neue“ Dampflok mit Ölhauptfeuerung eine kohlegefeuerte z-gestellt. Das führte, abgesehen von einem kurzen Revival der Kohleloks aufgrund der Ölkrise, dazu, dass ab 1973 bereits ausschließlich ölhauptgefeuerte Dampfloks im Bw Rheine stationiert und auf der Emslandstrecke im Planverkehr im Einsatz waren.

Außerdem ist der Rückbau der Abdampf-Schornsteine zu erkennen, dazu später unten mehr.

Bw Rheine, 21.03.1975
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Bw Rheine, 21.03.1975
CC BY 4.0

Das Bw Rheine auf die Zeit der Dampflokjagten der 70er Jahre zu beschränken wird ihm eigentlich wenig gerecht, auch wenn das immer wieder geschieht und aufgrund des mir zu Verfügung stehenden Materials ebenfalls keine andere Möglichkeit beschienen ist. Es ist dennoch erwähnenswert dass das Bw Rheine infolge der Eröffnung der Strecke Löhne-Rheine bereits 1856, also nur gut 20 Jahre nachdem überhaupt.

Das Bild straft mich direkt Lügen insofern, als dass in Rheine nur Öler waren. Deutlich sehen wir hinten links eine Kohlelok mit Kabinentender. Dieser 50er aus Lehrte widmen wir uns später.

042 202-2 auf der Drehscheibe

Wühlt man sich durch den Gesamtbestand des Archivs fällt auf, dass man die hiesigen Bahnbetriebswerke eher mied als dokumentierte. Das hat vor allem fototechnische Gründe. In den Bahnbetriebswerken war häufig das Platzangebot nicht besonders üppig und je nach Festbrennweite wusste der Fotograf schon vorher dass die Drehscheibe und / oder die langen Loks kaum vernünftig auf Film zu bannen sind. Nun war zu dieser Zeit das Geld für einen jungen Familienvater auch noch nicht so üppig, als dass man aus dem Vollen hätte schöpfen können. Außerdem „passierte“ auf freier Strecke einfach mehr.

Als wolle sie den Umstand beweisen, zeigt sich 042 202-2 auf der Drehscheibe in nicht geeigneter Passform. Die Lok 41 202 erhielt 1958 einen Neubaukessel im berühmten AW Braunschweig und im gleichen Jahr eine Ölhauptfeuerung durch Henschel. Hier sehen wir sie auf der Drehscheibe im Bw Rheine. Sie war dort bis zum Dezember 1976 stationiert, bevor sie dort schließlich ausgemustert wurde.

Lokparade der Museumsloks im Planbetrieb im Bw Rheine

Normalerweise schaut man auf die Bilder mag unterbewusst wehmütig denken, dass heute nichts mehr von alledem vorhanden ist. Bei der nächsten Aufnahme ist es anders, sie zeigt nämlich eine ganze Menge Museumsbahn – von heute aus betrachtet.

 

  • Wir sehen ganz links mit ihrem Kopf im Schatten die 01 1075. Nach ihrer Ausmusterung 1975 wanderte sie in die Hände der SSN – Stoom Stichting Nederland, wo sie bis heute untersteht. Es dauerte allerdings bis 1992, bevor sie wieder fahren konnte. Die Ölhauptfeuerung, die die Maschine 1957 bei Henschel erhielt, wurde von der SSN 1992 wieder auf Kohlefeuerung zurückgebaut.
  • Die zweite von links und ganz im Schatten von 01 1075 ist die ebenfalls ölgefeuerte 41 241. Die Schwesterlok der 41 360, im Volksmund ehemals Ochsenlok geannt, hat bereits eine lange und bewegte Museumsbahnzeit hinter sich. Eigentlich war sie lediglich als Ersatzteilspender für 41 360 gedacht, doch die günstige Stunde der Geschichte erlaubte eine Inbetriebnahme pünktlich zum Fristablauf von 41 360 Anfang der Neunziger Jahre, wo sie fortan viele Sonderfahrten verlässlich verrichtete. Am bekanntesten ist die Fahrt nach Varvik in Norwegen, wodurch die den Spitznamen Polarstern erhielt. Vom Polarstern wird auch hier auf Posten 17 noch einiges zu lesen sein, denn die Maschine der ehemaligen BSW-Gruppe Gelsenkirchen-Bismarck, aus der die (mittlerweile seit 2017 auch ehemalige) Dampfloktradition Oberhausen wurde, war in den 90ern häufiges Ziel. Einige Zeit kam sie auch jährlich auf die „Hausstrecke“ des Fotografen und Archivars von Posten 17.
  • Mittig zu sehen ist 44 1121. Sie ist heute nicht mehr betriebsfähig, aber in Privatbesitz erhalten geblieben. Nach ihrer Ausmusterung 1977 wanderte sie über Offenbach nach Pforzheim und schließlich ins Deutsche Dampflok und Modelleisenbahnmuseum Tuttlingen, welches im dortigen ehemaligen Bahnbetriebswerk die Zelte aufgeschlagen hat.
  • 50 1544 beschließt dieses Bild ganz rechts. Von ihr ist heute nichts mehr vorhanden, doch wie das Bild zeigt überlebte sie noch recht lange. Erst 1976 wurde die Lok, die im Bw Lehrte untergestellt war, schließlich ausgemustert.

Widmen wir uns noch mal 44 1121 bzw. 043 121-3. Wir sehen sie erneut auf einem anderen Foto. Sie pirscht sich hierbei gerade bis zur Drehscheibe vor. Rechts im Bild sehen wir das durch viele Bilder bekannt gewordene Gebäude der Lokleitung des Bw Rheine. Auch auf dem Titelbild ist es prägnant zu sehen. Das Foto gehört schon wieder zu den abgegriffenen Bildern, die mit Korrekturpinseln am PC nachbearbeitet werden mussten, nachdem sie sowieso schon in einem Bad in Isopropanol mechanisch sowie chemisch gereinigt wurden. Teer aus der Pfeife ist ein ganz furchtbarer Wegbegleiter.

Die Abdampf-Kamine auf dem Ringlokschuppen

Für einen Archivar, der sich mit vornehmlich unbeschriftetem Material herumzuschlagen hat, ist die Aufarbeitung von Dias aus Bahnbetriebswerken mitunter schwierig wenn er selbst nie dort war – sie sehen sich alle doch recht gleich und nur mit Drehscheibe und Lokschuppen fällt eine Identifizierung mitunter schwer.

Noch schwerer wird es, wenn wie in Rheine die Bauwerke im Laufe der Zeit Änderungen erfahren. Eine dieser prägnanten Änderungen sind die Abdampf-Kamine auf dem Lokschuppendach. Aus diesem Grunde möchte ich eine weitere Lok in diesen Artikel einschleichen, obwohl die Aufnahmen bereits drei Jahre früher, nämlich 1972 entstanden. Hier sieht man, anders als auf dem Artikelbild noch über jedem Gleis / Stand des Ringlokschuppen eben jene Kamine im Bw Rheine.

Zum Foto: 44 431 bzw. 043 431-6 rangiert gerade auf die Drehscheibe. Die Lok traf der Traktionswandel, dafür dass sie in Rheine unterstand und eine Dampflok mit Ölhauptfeuerung war, recht früh, nämlich bereits im Jahr des Aufnahmedatums 1972 und schon 12 Jahre nach ihrem Umbau auf Ölfeuerung. Bei Zeiten wird es einen weiteren Artikel zum Bw im Jahr 1972 geben, denn auch dafür gibt es ausreichend Material.

Bw Rheine Super 8 vom 1974

Bewegte Bilder vom Bw Rheine hat mein Vater im Jahr 1974 festgehalten. Wieder hatte man Glück mit dem Wetter und das Material hat die Jahrzehnte nahezu unbeschadet überstanden. Abgespielt wurde es allerdings häufig – zuletzt in den späten 80er Jahren. Ende 2017 konnte ich die ersten Spulen dank Spendenbereitschaft zur professionellen Digitalisierung schicken. Die Spule mit Aufnahmen aus Rheine war darunter und sind nun für alle – ob privat oder gewerblich – auch im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY-4.0 frei verwendbar.

Es gibt einiges zu sehen und vor allem auch zu erkennen / identifizieren auf dem Video. Viele bekannte Dampfloks, die heute im Museumsbetrieb ihren Dienst schieben oder auf dem Sockel landeten, sind hier im Video noch im Planeinsatz zu sehen.

Einige Besonderheiten / Anmerkungen:

  • 0:05min – 0:25min
    Den Beginn macht 01 1063, die das betrübliche Schicksal hat den letzten dampfbespannten Personenzug der Deutschen Bundesbahn geführt zu haben. Wir sehen sie zunächst noch im Bahnhof Rheine sowie in der darauf folgenden Szene bereits eingerückt ins Bw. Sie nimmt uns mit dorthin sozusagen wo das Video in der Folge verweilt.
  • 0:26min – 0:37min
    Eine Übersicht über das Bw gibt einen Einblick darüber wie viele Dampfloks zu diesem Zeitpunkt noch im Bw Rheine bewirtschaftet werden. Schon diese gut 10 Sekunden zeigen eindrücklich warum Rheine als Dampflok-Mekka der 70er Jahre galt, als die Dampflok sonst allerorten höchstens noch eine Nebenrolle spielte.
  • 0:37min – 0:56min
    Der Auftritt von 44 1203 bzw. 043 196-5. Eine Lokomotive mit bewegter Geschichte. Zum einen wäre zu erwähnen, dass sie von 1968-1973 noch unter der EDV-Nummer 043 196-4 geführt wurde, also mit anderer Prüfziffer als dann richtiggestellt ab 1973. Ebenfalls 1973 bekam 44 1203 erst sehr spät ihren Umbau auf Ölhauptfeuerung. Das begünstigte den Umstand dass sie es war, die den letzten mit Dampflok bespannten Zug befördern „durfte“. Heute steht sie als Denkmal an der Strecke, auf der sie ihren und für die Deutsche Bundesbahn letzten Dampflok-Dienst tat: In Salzbergen herausgeputzt und überdacht auf dem Sockel.
  • 057min – 1:19min
    042 210-5
    möchte gerne auf die Drehscheibe. 043 196-5 hat diese gerade verlassen und kommt durchs Bild, bevor in der Folge 042 210-5 auf die Drehscheibe rangiert.
  • 1:27min – 2:28min
    Die Hochhackige 01 1080 bzw 012 080-8 kommt erstmals ins Bild, zunächst nur mit ihren Treibrädern, später einige Zeit komplett inkl. „Fahrt“ auf der Drehscheibe. 012 080-8 trägt die Lokschilder von 012 060-0, die in Rheine bereits 1972 ausgemustert wurde. Die Übernahme der Schilder bot sich an, da nur ein wenig „herumgepinselt“ werden musste um aus einer 6 eine 8 sowie aus einer 0 eine 8 zu machen. So wurde aus 012 060-0 schließlich 012 080-8. Wir sehen die Lok beim Wasserfassen.
  • 2:29min – 2:33min
    Wieder so eine Museumslok. 043 381-3, wie 44 381 seit ihrer EDV-Nummerierung heißt, steht neben dem Lokschuppen. Nach ihrer aktiven Zeit stand sie von 1977 – 1986 als Denkmallok in Fürstenfeldbruck-Emmering. Seit 1986 ist sie in den Händen des Bayerischen Eisenbahnmuseums e.V..
  • 2:41min – 2:59min
    44 087 bzw. 043 087-6 ist erst kurze Zeit in Rheine, wo sie bis zuletzt verblieb. Sie ist ebenfalls „gut rumgekommen“ in ihrem Leben und weist von Northeim über Altenbeken, Holzminden, Göttingen, wieder Nordheim, Bebra, Kassel und schließlich Rheine gleich 8 Stationierungen auf. Ausgemsutert wurde die Lok, die bereits 1960 den Umbau auf Ölhauptfeuerung erhielt, erst am offiziellen Tag des Endes der Dampflok für die Bundesbahn im Oktober 1977.
  • 3:00min – 3:22min
    043 121-3
    möchte ebenfalls gerne ins Bild. Auch sie ist weiter oben schon besprochen. Einige Nahaufnahmen zeigen sie auf der Drehscheibe.
  • 3:27min – 4:13min
    41 113 bzw. 042 113-1 rollt in Richtung Drehscheibe um auf ihr gedreht und neben dem Lokschuppen abgestellt zu werden. 41 113 ist die letzte Museumslok, der wir uns heute in diesem Artikel widmen. Sie steht heute im Technikmuseum in Sinsheim. Sie übertrifft die Stationierungsdaten von 043 087-6 noch um ganze fünf weitere Stationen. Auch 41 113 überlebte in Rheine bis zum Schluss.

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2 Kommentare

  • Ihre Webseite ist einfach fantastisch. Mein Vater war Oberwerkmeister im Bw Rheine. Somit war das Bw mit all seinen Loks, Gruben, Gebäuden und der Drehscheibe „mein“ Spielplatz. Ich habe da sehr viel Zeit mit meinem Vater verbracht. Ich bin dort kleine und große Loks gefahren und natürlich durfte ich auch die Drehscheibe fahren. Leider ist mein Vater 2012 verstorben bevor er all Ihre tollen Erinnerungen hier sehen konnte.

    • Hallo Hellmut,

      vielen Dank für Ihre warmen Worte. Wie es unabänderlich ist, hat mein Vater selbst auch einen wesentlichen Teil dieser Erinnerungen nicht mehr erleben können.
      Erst vor einigen Monaten habe ich einen weiteren Ordner mit Hunderten weiteren vornehmlich s/w Negativen ausgegraben, welcher ziemlich sicher seit den frühen
      70er Jahren nicht mehr angefasst wurde. Es wird also noch etliches an Material auch zu Rheine geben.

      Schöne Grüße
      Armin


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