24 009 zu Besuch in Remscheid

Sonderfahrten anlässlich 600 Jahre Solingen

Die 24 009 sollte man häufiger auf der Remscheider Strecke erleben dürfen. Bereits 1972 kam sie zum ersten Mal auf „Bergische Runde“. Am 18.05.1974 beehrte sie die Region, da Solingen 600 Jahre Stadtgeschichte feiert.

Für einen Spätgeborenen ist es kaum zu glauben: Bereits 1972 war die 24 009 eine Museumslok. Sie sollte noch etliche Male durchs Bergische dampfen und auch mich an der Strecke immer wieder beeindrucken. Den Wert, den die Lok für meinen Vater einnahm, begriff ich jedoch spät: 24 009 war eine der ersten echten Museumsloks und beliebt bei Eisenbahnern, da sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs hinter dem Eisernen Vorhang unerreichbar schien. Der Eisenbahnkurier konnte diese Lok schließlich 1972 aus der DDR nach Westdeutschland überführen. Nun hatte Westdeutschland wieder das knuffige Steppenpferd auf den Gleisen. Unzählige Sonderfahrten führten auch über Remscheid.

Hier sehen wir die 24 009 in Höhe Remscheid Greul / Trecknase. Sie hat soeben den Bahnhof Remscheid-Lennep verlassen und steuert Remscheid Hbf an. Auf der rechten Seite zu sehen ist das Vorsignal für die Einfahrt in Remscheid-Lennep.

Dass sich auch 1974 schon die Jugend für Dampfsonderfahrten begeistern konnte, zeigt der folgende Nachschuss, der an der selben Stelle entstanden ist.

24 009 Remscheid Greul, 1974

24 009 steht im Remscheider Hauptbahnhof auf Gleis 1. Das Gleis 1 war im alten Bahnhof nur über eine steile und bereits ziemlich abgetretene Treppe zu erreichen. Alternativ konnte man jedoch auch vorne aus dem Bahnhofsgebäude heraus und neben dem Gebäude vorbei an das Gleis gelangen. Gleis 2 und 3 hingegen waren nur über den Fußgängerüberweg zu erreichen, welcher auf dem Bild Gleis 1 und 2 überspannt. Hier haben wir als Kinder so manche Stunde verbracht und den Zügen hinterher geschaut. Noch in den 80ern war im Bereich des Güterbahnhofs auch geschäftiges Treiben. Davon zeugt auch der Güterwagen links neben 24 009. Die beiden Strategen auf dem Bild sind übrigens meine ältesten Geschwister. Wie man sehen kann, ist die Zylinderentwässerung der Lok bereits geöffnet – die Lok fährt auf dem Bild also wohl gerade aus. Dafür spricht natürlich auch die aufgescheute Jugend und die zahlreichen Mitreisenden an den weit geöffneten Fenstern. Weit geöffnet, um nicht zu sagen herausgeschlagen, sind auch die Fenster des Gebäudes auf dem Bahnsteig rechts im Bild. Kein wirklich einladendes Tor zur Stadt, wie Bahnhöfe gerne genannt werden. Aber das war Remscheid Hbf ohnehin nicht.

Und so verlässt der Sonderzug Remscheid Hbf. Interessant an diesem Bild ist, dass der Hauptbahnhof bereits Anfang der 70er komplett mit Lichtsignalen ausgestattet war. Auf der heimischen Modellbahnanlage waren Signale stets Formsignale. Deshalb war es mir immer eine Freude, wenn es uns z.B. einmal nach Brügge (Westf.) verschlug, wo ich auch in den 90ern oder sogar in den 2000er Jahren noch Formsignale vorfinden durfte – vom charakteristischen Reiterstellwerk mal ganz abgesehen! Doch zurück zum Bild: Links zu entdecken sind die Reste der damals noch so genannten BSI – der Bergischen Stahlindustrie. Sie ist nicht unwesentlich dafür verantwortlich, dass Remscheid trotz aller Probleme für den Zug erschlossen wurde. Gleichzeitig ist sie betrüblich dafür verantwortlich, dass wesentliche Teile der Innenstadt sowie des Hauptbahnhofs selbst in Folge von Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurden. Die BSI – wenig später bereits Thyssen – lag mit Werksanschluss direkt hinter dem Hauptbahnhof.

Der Zug ist bereits wieder auf dem Rückweg und befährt in wenigen Sekunden die Müngstener Brücke. Könnte sie erzählen, welche Züge sie schon alle das Tal der Wupper hat passieren lassen, sie könnte Bände füllen!

Auf dem oberen Bild zu sehen ist die 24 009, wie sie die Müngstener Brücke hinter sich gelassen und den Remscheider Berg erklommen hat. Sie passiert gerade den Bahnhof Remscheid-Güldenwerth. Ortskundigen ist natürlich sofort klar, anderen sei es erwähnt: Die beiden letzten Bilder zeigen nicht „denselben“ Zug. Um von Solingen Schaberg nach Güldenwerth zu gelangen, ist mit dem Auto einige Anstrengung nötig, da man besagtes Tal der Wupper erst einmal passieren muss. Das ist auch der Grund, warum es im Archiv meines Vaters so wenig Material von Solingen gibt: „Man kommt so schlecht da weg„. Zumindest  wenn die Fotoreise nach Remscheid führte. Natürlich könnte man auch sagen, dass man so schlecht nach Remscheid kommt, aber das verbietet sich als Remscheider selbstverständlich. Eben das unwegsame Gelände, unabhängig von welcher Richtung aus man bewertet, war auch der Antrieb der Vorfahren, sich für den Bau der Müngstener Brücke stark zu machen. Denn während man mit dem Auto zunächst serpentinenartig den Berg von Solingen hinab fährt, um dann serpentinenartig den Berg von Remscheid wieder hinaufzufahren, „schwebt“ der Zug dank der Brücke über den Dingen und verkürzt den Weg von Solingen nach Remscheid beträchtlich.

24 009 ist wieder in Remscheid Hbf angekommen. Der Sonnenstand und noch viel mehr die deutlich ablesbare Uhr zeigen an, dass es gerade Mittag ist. Dem Ortskundigen ist wieder klar, dass es sich erneut nicht um dieselbe Tour handelt, da in Güldenwerth der Zug wunderschön von der Abendsonne beschienen wurde. Hier jedoch scheint die Mittagssonne über den Remscheider Hauptbahnhof.

Ebenfalls noch in der Mittagssonne wird diese Aufnahme entstanden sein. Sie zeigt 24 009 im Bahnhof Remscheid-Lennep auf Gleis 3. Da keine Zugschlusslaterne, kein Zugschlussschild und auch die Lampen der Lok deutlich sichtbar weiß leuchten, macht sie offensichtlich Anstalten den Bahnhof Richtung Lüttringhausen verlassen zu wollen.

Dafür steht sie jedoch auf dem falschen Gleis. Es wird sich um eine Falschfahrt gehandelt haben, weil Gleis 1 für den Regelverkehr freizuhalten war. Aufgrund der damals schon engen Taktung, wird sie nicht viel Aufenthalt in Lennep gehabt haben.

Die 24 009 war 1974 erst im zweiten Jahr in Deutschland, dennoch wurden schon etliche Sonderfahrten mit ihr veranstaltet. Alleine um den Bereich um Remscheid existieren im Archiv Bilder von mindestens 5 verschiedenen Fahrten. Wie erwähnt, wurde 24 009 durch den Eisenbahnkurier von der Reichsbahn erworben und in den Westen überführt. Ausreichender Lokalpatriotismus lässt natürlich keine Fragen darüber offen, dass die Lok zuerst einmal durch das Bergische muss. Das tat sie direkt und in Folge immer wieder!

Hat Dir der Artikel gefallen? Mit einem Klick kannst Du mir eine Rückmeldung geben:

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne
(4,00/5, 7 Bewertungen)

Oder gibt es etwas zu beanstanden? Schreibe mir einen Kommentar!


Beim Klick auf den Einkaufswagen wirst Du zu PayPal weitergeleitet. Danke für Deine Wertschätzung für Posten17!


Sharing is caring
Unterstütze meine Arbeit in dem Du sie teilst!

Permalink (für Verlinkung): https://posten17.de/sonderfahrten/24-009-remscheid-1972/

Kartenansicht

Die Kartenansicht enthält alle Bilder, zu denen Standorte bekannt oder rekonstruierbar sind. Da es sich um historische Aufnahmen handelt, sind dies natürlich Näherungswerte und nicht auf den Meter genau.

3 Kommentare

  • Hans-Peter Heep schrieb
    | » Antworten

    beim letzten Bild schwelge ich in Erinnerungen, da ich damals im Anbau des Bahnhofs Lennep gewohnt habe. Leider ist hier eine Unstimmigkeit zu verbessern. Eine Falschfahrt dürfte es niemals gegeben haben, es existierte zu der Zeit noch eine Überleitung zum Gleis 1 Richtung Lüttringhausen.

    • Stimmt, Falschfahrt ist mißverständlich ausgedrückt. Auf dem „falschen“ Gleis im Bahnhof sollte es bedeuten!

      Dann wird Dich der nächste Artikel freuen, er befasst sich mit Lennep 1973.

      Und was die Falschfahrt angeht: Glücklicherweise hat mein Vater zumindest das Treiben an der Remscheider Strecke gut dokumentiert, einen extra Falschfahrzen-Artikel wird es irgendwann auch noch geben. 🙂

  • Rainer Winkler schrieb
    | » Antworten

    Schöne Aufnahmen und Beschreibung rund um den Remscheider Bahnhof, ich bin in der Freiheit Str. 21 groß geworden direkt über Spedition Lassen. LG. Rainer


Ich habe alles gegeben, jetzt bist Du am Zug!

Hast Du einen Fehler gefunden, eine Ergänzung oder möchtest Du einfach in Erinnerungen schwelgen und sie teilen? Teile sie mit!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert