Zur Ölkrise kohlegefeuert durchs Ruhrgebiet

Die letzte Fahrt der 01 008

Der Herbst 1973 war ein düsterer. Der Jom-Kippur-Krieg ließ die Preise für Rohöl in ungenannte Höhen steigen, sodass man vielleicht sogar den kohlegefeuerten Dampfloks auf DB Gleisen zumindest kurzzeitig noch so etwas wie Wirtschaftlichkeit andichten konnte, verglich man sie mit ihren ölgefeuerten Pendants. Die Zeit für die kohlegefeuerte 01 008 war allerdings ungeachtet jeder Ölkrise längst abgelaufen.

Fahrkarte Abschiedsfahrt 01-008Ausschreibung und Fahrplan zur Sonderfahrt 01 008 am 09.12.1973Es war die letzte Fahrt die Dampflok 01 008 aus eigener Kraft antrat. Überhaupt war das Jahr 1973 düster für die Baureihe 01, fanden in doch in diesem Jahr die letzten Fahrten mit ihr im Schnellzugdienst statt. Bedingt durch die Ölkrise war jener klare und kalte Dezembersonntag ein autofreier Sonntag. Den Zug anständig zu verfolgen fiel also aus. Umso besser war es da also wenn man eine Fahrkarte besaß.

Mit 13DM war man dabei um die erste 01, die von der Deutschen Bundesbahn in den Dienst gestellt wurde, auf ihrer letzten Fahrt zu begleiten. Das Feuer sollte danach bis heute aus bleiben.

Der Fahrplan sah folgendermaßen aus:

AnAb
12.45Essen Hbf13.06
13.38Duisburg Hbf13.56
14.07Oberhausen Hbf14.09
14.26Gelsenkirchen Hbf14.28
14.36Wanne-Eickel Hbf14.38
14.44Herne14.46
15.05Dortmund Hbf16.06
16.25Bochum Hbf16.42
17.00Essen Hbf
01 008 in Herne, 09.12.1973
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01 008 in Herne, 09.12.1973
CC BY 4.0

Dadurch, dass man mit im Zug saß, sind natürlich einige Aufnahmen auch aus dem Zug entstanden. Nein, es sind ungewöhnlich viele Aufnahmen für Analogzeiten von dieser Fahrt entstanden. Satte 46 Aufnahmen zählt das Archiv alleine für diese gut 4 Stunden Dampflok-Sonderfahrt, was für sich genommen schon die besondere Stellung dokumentiert – war es doch dem Vernehmen meiner Oma nach die 01, die meinen Vater in frühen Kindertagen mit dem Eisenbahnvirus infizierte.

Für mich, der zum Zeitpunkt der Sonderfahrt noch für einige Jahre nicht das Licht der Welt erblicken sollte, fällt eine Zuordnung der Bilder heute recht schwer und da es sich durchweg um Papierabzüge handelt fehlt mir auch die Chronologie der Fotos um Orte zu bestimmen. So viel hat sich getan im Pott, so viel ist verschwunden vom alten Ruhrgebiet…

Sollte ich irgendwo falsch liegen bitte ich das zu entschuldigen und bin für Verbesserungen dankbar!

01 008 in Essen Hbf

In Essen startete die Sonderfahrt und natürlich wurden auch hier einige Aufnahmen von 01 008 angefertigt bevor man den Zug bestieg. Von Essen aus ging es allerdings erstmal westwärts Richtung Rhein bzw. über Mülheim-Speldorf nach Duisburg. Die erste Aufnahme aus Essen zeigt eine typische Seitenansicht des Sonderzugs, und tatsächlich hat es auch der ganze Zug aufs Bild geschafft.

Außerdem auf dem Bild und unverkennbar Essen Hbf kennzeichnend ist das DB-Hochhaus. In den 60er Jahren entstand dieses für viele nicht unbedingt als Schönheit empfundene Gebäude der DB, in der die Verwaltung ihren Sitz fand. Aufgrund von Mängeln an der Bausubstanz stand das Gebäude nun schon einige Zeit leer und noch in diesem Jahr (2017) soll der Abriss beginnen. An gleicher Stelle soll dann mit 10 Metern mehr ein noch höheres Bürohaus stellen, wofür bereits ein Bauantrag vorliegt.

Hier sehen wir aber noch die gute alte Bundesbahn auch im Logo verewigt.

Eine weitere Aufnahme zeigt den Sonderzug an diesem Tag noch von schräg hinten. Ein Nachschuss im Stillstand sozusagen und noch einmal ein Blick auf den sehr üppig gefüllten Kohletender.

01 008 in Oberhausen Hbf

Die Ausfahrt aus Oberhausen Hbf ist ebenfalls im Bild festgehalten worden. In der Mitte des Bildes erhebt sich der Gasometer in Oberhausen, der zu dieser Zeit natürlich noch als betriebliche Einrichtung der Gutehoffnungshütte Oberhausen in Betrieb war und zu dieser Zeit Kokereigas der Kokerei der Zeche Osterfeld speicherte. Hierzu gab es überirdische Pipelines über mehrere 100m auch über den Gleiskörper hinter Osterfeld. Rudimente davon sind noch heute sichtbar, wenngleich sich das Gelände massiv geändert hat. Südlich des Gasometer ist mit dem Centro ein großes Einkaufscenter entstanden. Das Gelände der ehemaligen Zeche Osterfeld ist heute ein Landschaftspark. Geblieben ist nur der Gasometer. Auch die auf dem Bild zu erahnenden, bahnbetrieblichen Einrichtungen sind verschwunden; der alte Lokschuppen ist eine Ruine.

Der Bahnhof Gelsenkirchen Hbf

Gelsenkirchen hat in den Nachkriegsjahren und auch noch weit bis in die 70er Jahre hinein eine Metamorphose durchgemacht. Durchgemacht deshalb, weil das Ergebnis am Ende zweifelhaft erscheint, blickt man auf den Stand zuvor. Sinnbildlich dafür steht in diesem Artikel das alte Bahnhofsgebäude von Gelsenkirchen Hbf, welches auf dem Foto noch in seiner ganzen Pracht erstrahlt, aber zugegebenermaßen etwas zu weit am Horizont steht.

Wie viele andere Bauten, die mitunter noch aus der Gründerzeit der Industrialisierung stammen und nach außen den ehemaligen Wohlstand demonstrierten, fiel auch das der alte Bahnhof Gelsenkirchen dem Bagger zum Opfer. Ersetzt wurde dieser durch einen schmucklosen, typischen Funktionsbau.

Dass nicht nur die Folgen des Krieges das Aussehen von Gelsenkirchen verändert haben, sondern politischer Wille das Stadtbild derart veränderte, verdeutlicht der Bahnhof, denn dieser stand noch immerhin bis 1978.

Schalker Verein

Hierbei handelt es sich nicht um einen von russischem Gas finanzierten Fußballverein in den Farben blau und weiß, viel mehr geht es hier um den Schalker Gruben und Hüttenverein, der sich im Jahr 1872 im Süden des Stadteils Bulmke-Hüllen gegründet hat und bereits 1874 über den ersten Hochofen verfügte.

Zum Zeitpunkt der Sonderfahrt hießen die Anlagen und die Firma wenige Streckenmeter hinter dem Gelsenkirchener Hauptbahnhof in Fahrtrichtung Wanne-Eickel Rheinstahl Hüttenwerke AG, Werk Schalker Verein Gelsenkirchen. 10 Jahre zuvor, also 1963 hat sich das Werk durch die Rheinstahl Hüttenwerke AG konstituiert, während man zuvor unter dem Namen Eisenwerke Gelsenkirchen firmierte. 6000 Menschen fanden dort zu Spitzenzeiten Arbeit, heute ist nichts mehr davon vorhanden.

Ankunft in Herne

Herne hat keinen Hauptbahnhof, Herne hat einen Bahnhof! Der Bahnhof Herne liegt an der Köln-Mindener-Eisenbahn und heißt seit jeher Herne Bf. Einen Hauptbahnhof erhielt Herne erst durch den Zusammenschluss von Herne und Wanne-Eickel. Dies geschah jedoch erst über ein Jahr nachdem die Aufnahmen dieses Artikels entstanden sind, am 1. Januar 1975. Heute ist es dabei geblieben, dass Herne Bf weiter Herne Bf heißt, und Wanne-Eickel Hbf ist Wanne-Eickel Hbf geblieben, auch wenn es mittlerweile Stadtteil von Herne ist.

Ein Bild aus Herne haben wir weiter oben ja bereits gesehen. Die Hochkantaufnahme zeigt die Ausfahrt aus Herne. Die Folgende Aufnahme ist ebenfalls eine Hochkantaufnahme. Durch das üppige Papierbild von 12x18cm kann man hieraus jedoch gut einen Querformat-Ausschnitt für das Internet und mehr herausscannen, da die Breite im Originalscan noch immer fast 5000 Pixel beträgt.

Castrop-Rauxel

Auf Castrop-Rauxel angesprochen hätte mein Vater wohl erstmal einen Zug aus seiner Pfeife genommen, um dann zu klären dass es sich dabei um die lateinische Bezeichnung von Wanne-Eickel handelt und dass das Leugnen dieses Fakts – heute würde man dem Zeitgeist entsprechend wohl von einem alternativen Fakt sprechen – schwere Strafen nach sich ziehen wird. So findet man heute im Internet folgenden Satz dazu auf stupedia.org.

Einer Legende zufolge ist Castrop-Rauxel die lateinische Bezeichnung von Wanne-Eickel weshalb Latein sich bis heute als Amtssprache gehalten hat. Wer diese Legende verleumdet, wird offiziell an den Pranger gestellt und in das verfeindete Königreich Dortmund ausgewiesen.

Die Durchfahrt durch Castrop-Rauxel wurde ebenfalls bildlich festgehalten. Ohne fremde Hilfe wäre ich spätestens hier aufgeschmissen gewesen, denn dieser Bereich hat heute nur noch entfernt etwas mit dem zu tun, was die Aufnahme von 1973 zeigt.

Historische Aufnahme aus Castrop-Rauxel Hbf 1973
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Castrop-Rauxel Hbf 1973
CC BY 4.0

01 008 in Dortmund Hbf

Die erste Aufnahme, die als Titelbild gewählt wurde, zeigte die Lok bereits in Dortmund Hbf zu recht später Stunde, als sie wieder an den Zug angekuppelt war. Das um der Lok stehende Publikum vermittelt einen Eindruck davon, dass diese Sonderfahrt nicht nur bei meinem Vater einen besonderen Platz einnahm. Das Ende der kohlegefeuerten 01 im Planverkehr war ein herber Verlust – zumindest dann, wenn man nichts mit der Bewirtschaftung der Lokomotiven zu tun hatte, sondern in aller Ruhe nur seine Nase aus dem Fenster – oder sich in die Nähe des Schotters stellen konnte.

Im Bw Dortmund wurde 01 008 auf der Drehscheibe gedreht, um wieder mit voller Kraft voraus ihre Reise zurück nach Essen anzutreten. Vom Bahnsteig aus sind einige Aufnahmen in Dortmund Hbf entstanden.

Das ganze konnte man auch gefahrlos gestalten, immerhin hatte der Sonderzug eine ganze Stunde Aufenthalt.

Die nächste Aufnahme zeigt 01 008 auf dem richtigen Gleis, wie sie sich langsam wieder dem Zug, als auch wieder dem wartenden Publikum annähert.

Damit endet dann auch dieser Artikel. Es sind noch einige Aufnahmen von der Rückfahrt aus Dortmund Hbf nach Essen Hbf entstanden, allerdings zeigen diese nicht viel mehr als freie Strecke und die Lok.

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Kartenansicht

Die Kartenansicht enthält alle Bilder, zu denen Standorte bekannt oder rekonstruierbar sind. Da es sich um historische Aufnahmen handelt, sind dies natürlich Näherungswerte und nicht auf den Meter genau.


Ich habe alles gegeben, jetzt bist Du am Zug!

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