Mit der Oldtimer-Eisenbahn durch Wuppertal und das Bergische Land

Tag der offenen Tür der BD Wuppertal am 02.10.1971

Die Zeit der BR 55 war in Remscheid genauso abgelaufen, wie der gesamte Dampflokbetrieb. Der Loks des Typs BR 55 waren sogar dereinst in Remscheid-Lennep beheimatet, auch wenn andere Gattungen durchaus üblicher waren. Bereits bevor mein Vater so richtig laufen lernte war die 55er in Remscheid Geschichte. 1971 kam sie dann noch einmal zurück auf Remscheider und Wuppertaler Gleise.

Einen vom Wetter her schönen Tag hat sich die Bahndirektion Wuppertal mit dem 02.10.1971 ausgesucht, um ihre Pforten im Rahmen eines Tages der offenen Tür den interessierten Besuchern zu öffnen. Die Zeiten für dieses alljährliche Fest waren unruhig, immerhin lag die bis dato größte Zugkatastrophe der Nachkriegszeit in Radevormwald-Dahlerau in der Verantwortung der BD-Wuppertal erst wenige Monate zurück und der damalig zuständige Fahrdienstleiter kam gerade erst auf längere Zeit ungeklärte Weise bei einem Autounfall ums Leben. Außerdem galt die Bahn als rückschrittlich, was es tatkräftig als unwahr darzustellen galt. Da kommt es doch gelegen eine zwar noch in Dienst befindliche Lokomotive auf „preußisch-alt“ zu trimmen und neben die e03 und V160 zu stellen.

055 738-9 (55 2738) wird zur Cöln 4954

Aus Gremberg hat man sich eine 55er geholt um die Bergische Runde zu fahren. Das ist nicht ohne Sentimentalität, waren doch bis Ende des Zweiten Weltkriegs diese Maschinen vom Typ G 8.1 auch im Bw Remscheid-Lennep stationiert. Greift man weiter zurück findet man auch die G7. Die 55 2738 war zur Zeit des Tages der offenen Tür der Bahndirektion Wuppertal allerdings noch ganz normal im Rangierdienst in Gremberg aktiv. Um sie so richtig zum Oldtimer zu machen hat man sie daraufhin in preußischer Farbgebung grün lackiert sowie das Phantasieschild Cöln 4954 vorne an der Rauchkammer angebracht. Tatsächlich wurde die Lok ehemals unter der Bezeichnung Hannover 4954 in Dienst gestellt. Die übrigen Schilder, mit Ausnahme des DB-Logos und der zuständigen Eisenbahndirektion wurden abmontiert. Eine seltsam anmutende Lok die trotz ihrer Bemühungen nicht verheimlichen kann, dass sie in Diensten der Bundesbahn steht.

Sei es drum. Für einige Teile der Bahndirektion Wuppertal bzw. dessen Bevölkerung im Wirkradius war eine Dampflok ohnehin schon ein Oldtimer und im Plandienst eine absolute Ausnahme. Über Remscheid fuhr nach Einstellung des Betriebs mit den 78ern mit Wendezugsteuerung ab 1964 dann die V100. Ins Oberbergische ging es höchstens noch mit der V100, meist jedoch mit dem Schienenbus. Im Niederrheinischen sah es kaum anders aus und die Magistrale der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn war schon lange elektrifiziert. Die Dampflok hatte für den Personenverkehr längst ausgedient. Umso verständlicher dass die Dampflok-Sonderfahrten in den 70ern „wie eh und je“ (es sei bemerkt dass das „eh“ genau zu der Zeit erst begann) die Menschen anzogen.

Der Agfa ISOPAN IF 17

Besonderes Glück beschleicht den Archivaren, da das Material auf ISOPAN IF 17 von Agfa in 4×4 festgehalten wurde. Zunächst dachte ich den Artikel zwar zu denken, aber niemals schreiben zu können, da das ausbelichtete Material im Papierarchiv einfach nur ein etwas besserer s/w Scherenschnitt ist, keinesfalls jedoch eine detailreiche Ausbelichtung die eine Veröffentlichung und damit einhergehend ein paar Zeilen rechtfertigt. Glücklicherweise erlaubt der Griff zum Negativ in Kombination mit einer gehörigen Portion Bildbearbeitung doch noch etwas aus dem Material zu machen.

Im Mittelformat entstehen schnell große Dateien, mit denen man ordentlich „Fleisch“ bekommt um mit der Bildverarbeitung stimmige Endergebnisse zu erzielen. Außerdem hat dieser Film eine Empfindlichkeit von 17° bzw. 40 ASA. Heute üblicher würde man von ISO 40 sprechen. Es darf also auf Details und deutlich vermindertes Rauschen gehofft werden. Und tatsächlich zeigte der Film schon mit den ersten Aufnahmen die über den Scanner auf dem Bildschirm landeten seine Stärken, auch wenn er tatsächlich sehr fiese Schatten hat – der Nachteil von schönem Wetter im Herbst, da kann auch ein Zwerg eine Dampflok beschatten. Und ganz unabhängig vom Gegenlicht scheint die grüne Lackierung dem Fotografen nicht unbedingt freundlich gesinnt, reflektiert sie doch sehr stark das Sonnenlicht.

Natürlich wurde das Material durchweg in 16 Bit Graustufen gescannt um möglichst jede Zeichnung mit in die Datei zu bekommen. Dass das spätere Veröffentlichen hier im Format JPG die Bestrebungen nach größtmöglicher Qualität ein wenig konterkariert ist natürlich die andere Seite der Medaille. Aber es beruhigt den guten Rollfilm auch digital ordentlich abgelegt zu haben.

Ausfahrt Remscheid Hbf

Die Ausfahrt in Remscheid Hbf wurde lediglich mit zwei Nachschüssen dokumentiert. Eigentlich Aufnahmen die man aus der Verlegenheit heraus geschossen hat, aber selten noch mal anschaut. Es lohnt aber aus mehreren Gründen.

  • Zum einen gibt das Bild den Blick frei auf die ersten beiden Waggons der Sonderzugs. Es handelt sich hierbei um den Postwagen „Pw 8470/3 Essen„, sowie den Ci Pr 94 „8470 Essen“ mit dem Logo der Königlich-Preußischen-Eisenbahn. Diese Waggons begegnen mir häufiger bei Sonderfahrten Ende der 60er / Anfang der 70er. Dann verliert sich die Spur. Weiß jemand wo sie abgeblieben sind?
  • Außerdem gut erkennbar auf dem Bild ist das alte T-Form Stellwerk Rm (Remscheid-Mitte) am Eingang zum Ostbahnhof, welches bis 1974 in Betrieb war. Heute führt dort eine neu gebaute Straße her, der hintere Bereich des Ostbahnhofs wurde erst 2019 zum Parkplatz für den ortsansässigen Baumarkt.
  • Links neben den Bäumen sehen wir das weithin als Landmarke sichtbare Hochhaus an der Fichtenhöhe. Von dort hat man gen Süden einen Blick bis ins Siebengebirge, nach Norden tief ins Ruhrgebiet.
  • Ebenfalls zu sehen sind noch etliche Schornsteine. Hiervon ist heute keiner mehr übrig. Sämtliche Anschlussgleise sind damit ebenso Geschichte wie die Betriebe selbst. Heute ist dort vom Möbelhaus über das Autohaus bis zum Lebensmitteldiscounter durchweg der Einzelhandel ansässig.

Ein weiterer Nachschuss gibt weitere Details preis:

  • Waggon vier und fünf sind Donnerbüchsen vom Typ Ci der ehemaligen Krefelder Eisenbahn-Gesellschaft. Auch sie begegnen mir häufiger auf alten Sonderfahrten. Wo sind sie abgeblieben?
  • Wagen 3 ist für mich nicht zu erkennen, trägt aber auch das Wappen der Königlich-Preußischen-Eisenbahn.

Ob z.B. das KPEV Logo evtl. erst hinterher auf die Wagen gekommen ist, entzieht sich leider ebenfalls meiner Kenntnis. Überhaupt ist die Informationslage zu den Fahrten dünn.

In Wuppertal-Ronsdorf

Ronsdorf war so ein Bahnhof an der Heimatstrecke, den man auch gerne gemieden hat. Zunächst ist anzumerken dass bei Sonderfahrten bereits kurz hinter Lennep in der Regel der Regler wieder zu gemacht – und bis Oberbarmen quasi durchgerollt wurde, wenn nicht noch ein Halt anstand. Da aus welchen Gründen auch immer ein Großteil der Sonderfahrten über Solingen nach Remscheid kam, passierte dementsprechend im dann abschüssigen Ronsdorf recht wenig. Zum anderen ist der Sonnenstand dort ziemlich ungünstig. Als drittes ist anzumerken, dass das Bahnhofsgebäude seit jeher wenig hergemacht hat. Das wird auf dem folgenden Bild gut deutlich:

Es handelt sich nicht etwa um einen örtlichen Discounter der sich über brachliegende ehemalige Gütergleise her gemacht hat. Das 1,5 stöckige Gebäude ist tatsächlich das Bahnhofsgebäude von Wuppertal-Ronsdorf. Immerhin ist es hier noch intakt und nicht beschmiert. Wesentlich häufiger wird es allerdings der typisch bergische Güterschuppen aufs Bild geschafft haben, welcher am obereren Ende des Bahnhofs zu sehen ist. Das Licht ist allerdings dennoch bescheiden, da man direkt in südliche Richtung schaut. Dort befände sich auch die Silhouette des Stadtkegels von Remscheid, wäre er nicht komplett überstrahlt.

Auch aus Ronsdorf gibt es einen Nachschuss.

Hier haben wir noch einen Blick auf den Schlusswagen, wenn auch nur im Anschnitt. Es handelt sich um einen typischen preußischen Tausendtürenwaggon vom Typ C3pr91. Die Wagennummer 335C ist deutlich zu lesen. Allerdings fehlt das Wappen der KPEV. Im Hintergrund zieht sich der große Komplex der Firma Draka, ein Kabelhersteller welcher zum Zeitpunkt des Fotos erst ein Jahr zuvor an Philips verkauft wurde, aber weiter unter „Draka Kabel“ firmierte. Den Industriekomplex mit seinem abgesägten Schornstein gibt es noch immer. Heute heißt die Firma neudeutsch „Draka Cable“. Aber Raider heißt ja nun mal auch Twix. Draka Cable gehört zur Prysmian S.p.A.. Der italienische Mutterkonzern ist der größte Kabelhersteller der Welt. Der Industriekomplex zieht sich noch weiter die lange Kurve der Strecke entlang, bevor es für den Zug stark abschüssig Richtung Blombach weitergeht.

50 2738 in Wuppertal-Oberbarmen

Oberbarmen hat mit der Rittershauser Brücke bekanntlich eine große Fußgängerbrücke. Sie verbindet an der Ostseite des Bahnhofs beide Seiten miteinander, da sonst nur über einen gehörigen Umweg von Heckinghausen aus der Bahnhof und die Schwebebahn in Oberbarmen erreichbar gewesen wäre. Auf dieser Brücke hat man sich häufiger positioniert, auch wenn es spätestens seit der Elektrifizierung der Strecke sicher nicht mehr der Beste aller Fotostandorte in Oberbarmen ist. Jetzt kam noch ein weiteres Problem hinzu: Die tiefe Herbstsonne hat den Schatten der Bücke breit über die Trasse gelegt. Bevor 50 2738 kam, musste man noch den Regelverkehr abwarten. Hier hat man noch eine V100 abgelichtet.

Sie zieht den P3780, der von Radevormwald aus gestartet in Wuppertal endet. Dieser Zug fuhr noch bis Ende der 70er Jahre bis zur Einstellung der Strecke regelmäßig zwei Mal täglich und bestand aus Packwagen und 4-6 Umbauwagen. Mit auf das Bild geschafft hat es in der Mitte rechts die Straßenbahn der Linie 602 (?) auf der Waldeckstraße, die den Ortsteil Heckinghausen nördlich umschließt.

Das Papierarchiv gibt zu verstehen dass da noch ein Streifen mit 4 weiteren Bildern existieren muss, bis dato ist er aber leider noch nicht aufgetaucht. Sollte dies geschehen, wird der Artikel natürlich komplettiert, denn die fiese Aufnahme direkt in die Sonne, man hat sich nur um 90° gedreht, gehört eigentlich auch veröffentlicht. Ansonsten war es das mit dieser Sonderfahrt, die offensichtlich mehrfach verkehrte, denn von Ronsdorf hätte man es sonst nie und nimmer vor dem Zug bis nach Oberbarmen geschafft.

55 738-9 in Gremberg

Nur zwei Monate vor diesen Aufnahmen entstand ein Super 8 Film der 55 738-9, welcher in Gremberg aufgenommen wurde. 55 738-9 ist fleißig am Rangieren. Ein fantastisches Zeitdokument.

Zwei Dinge sind noch aufzuklären: Der Autounfall des Fahrdienstleiters, welcher zum Zeitpunkt des Unglücks von Dahlerau Dienst hatte, hat nachweislich nicht aus suizidalen Gründen selbst herbeigeführt. Das Verfahren wurde nach seinem Tod natürlich eingestellt. Und dann wäre da noch ein Satz zur rückschrittlichen Bahn: Es sollte noch bis 1973 dauern bis von Seiten der DB offiziell zu vernehmen war „Die Bahn wird wieder gesunden“. Darauf warten wir jetzt gespannt!

Das Bahnhofsgebäude Wuppertal-Sonnborn

Als kleinen Bonus, weil das Foto auch an dem Tage bei einer Mitfahrt von Steinbeck nach Vohwinkel entstanden ist, ein Bild vom Bahnhofsgebäude (bzw. der Wartehalle) in Wuppertal-Sonnborn, der an die Brücke „Garterlaie“ angesetzt und mit über die Schienen wurde. Das alles ist heute natürlich auch längst Geschichte.

Hat Dir der Artikel gefallen? Mit einem Klick kannst Du mir eine Rückmeldung geben:

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne
(5,00/5, 6 Bewertungen)

Oder gibt es etwas zu beanstanden? Schreibe mir einen Kommentar!


Beim Klick auf den Einkaufswagen wirst Du zu PayPal weitergeleitet. Danke für Deine Wertschätzung für Posten17!


Sharing is caring
Unterstütze meine Arbeit in dem Du sie teilst!

Permalink (für Verlinkung): https://posten17.de/sonderfahrten/g81-55-2738-bergische-runde/

Kartenansicht

Die Kartenansicht enthält alle Bilder, zu denen Standorte bekannt oder rekonstruierbar sind. Da es sich um historische Aufnahmen handelt, sind dies natürlich Näherungswerte und nicht auf den Meter genau.


Ich habe alles gegeben, jetzt bist Du am Zug!

Hast Du einen Fehler gefunden, eine Ergänzung oder möchtest Du einfach in Erinnerungen schwelgen und sie teilen? Teile sie mit!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert