Also warf ich den Scanner an. Beim Blick auf den Gleisplan vom Remscheid-Hbf der 70er Jahre ist ersichtlich, dass die hinteren Gütergleise 12-18 im Bereich der Ladestraße allesamt Stumpfgleise sind bzw. waren. Erst Gleis 19 bzw. 20, welche in Verlängerung das Anschlussgleis für die damalige BSI / Thyssen darstellten, waren wieder durchgängig.

Auf einem dieser Stumpfgleise ist ein Güterwagen offenkundig über das Ziel hinaus geschossen, sodass ein Hilfszug angefordert werden musste.

Was ist ein Hilfszug?

Ein Hilfszug ist ein besonderer, häufig gemischter Zug ,mit allerlei Technik an Board, je nach Einsatzzweck. Hilfszüge stellen die Betriebssicherheit im Falle einer Betriebsstörung wie hier möglichst schnell wieder her. Typisch für einen Hilfszug ist ein Waggon des Typs EHG 388, ein Einheitshilfsgerätewagen. Wie der Name verrät bevorratet dieser allerlei Gerätschaften um z.B. wie hier den entgleisten Güterwaggon wieder auf das Gleis zu bekommen.

Der Einheitshilfsgerätewagen kann hierbei vor allem bei kleineren Problemen höhere Kosten vermeiden helfen, da er entgegen eines Krans häufiger abgestellt bereit steht und somit schneller am Einsatzort ist. Mitunter treten der Einheitshilfsgerätewagen und ein Kranwaggon jedoch auch als Einheit auf. Entsprechende Bilder aus Remscheid Hbf werden hier auch noch veröffentlicht. In diesem Fall reichte jedoch der EHG 388 ohne Kran.

Da es heller Tag war, war der Hilfszug ohne den Beleuchtungswaggon ausgerückt. Ansonsten ist dieser für die taghelle Ausleuchtung der Unfallstelle zuständig.

Ebenfalls nicht mitgereist ist – glücklicherweise – der Arztwaggon. Auch auf diesen konnte verzichtet werden. So ist die Entgleisung wohl eher als „kleines Malheur“ anzusehen, welches mit den Gerätschaften des EHG 388 zügig behoben werden konnte.

Auch auf der Schiene herrscht Rechtsverkehr

Nicht nur auf Deutschlands Straßen, auch im Schienenverkehr gilt es den Rechtsverkehr. Aus nachvollziehbaren Gründen, nämlich gerade wenn das rechte Gleis durch einen verunfallten Zug blockiert ist und/oder der Hilfszug über das linke Gleis schneller am Unfallort ist statt „außen herum“, ist bei einem Hilfszug auch der Linksverkehr, also die „Falschfahrt“ möglich. So regelte das die Eisenbahnbetriebsordnung bereits 1904 mit Gültigkeit bis heute. Allerdings gibt es die Beschränkung dass die Falschfahrt nur mit maximal 30km/h zu fahren ist.

Dringlich oder nicht dringlich?

Bei der Anforderung eines Hilfszugs ist dies eine wichtige, gar betriebliche Frage. So hat ein dringlich bestellter Hilfszug z.B. Vorrang vor allen anderen Zügen, auch den 1972 eingeführten Taktzügen vom Schlage Inter-City (die wiederum Vorrang vor allen anderen haben).

Wie kommt der Hilfszug zum Einsatzort?

Natürlich bedarf es einer Lok um den Hilfszug zum Einsatzort zu transportieren. Und so gelangte der Wt 5613 aus Wuppertal mit Dampfkraft nach Remscheid. Schon seit den 60ern war die Dampflok die Ausnahme in Remscheid, womit das Ereignis sicherlich auch das Interesse meines Vaters auf sich zog, denn er arbeitete zu dieser Zeit noch im gegenüberliegenden Betrieb, der Bergischen Stahlindustrie BSI. Da musste die Arbeit wohl kurz unterbrochen werden.

Möglicherweise, der August ist nun mal auch ein Urlaubsmonat, konnte mein Vater die Lok mit Hilfszug auch von Daheim die Strecke entlang fahren sehen, hören und / oder riechen. Die Kontakte zum Stellwerk waren mitunter gut und schnell war man auch ohne Internet informiert.

Eine weitere Aufnahme zeigt die Lok nochmal in Seitenansicht. Die 1943 von Krauss-Maffei gebaute Lok war zu dieser Zeit im Bw Wuppertal-Vohwinkel beheimatet. Sie überlebte noch bis zum Juni 1975 im Bw Duisburg-Wedau und wurde anschließend zerlegt.

Der Heizer beobachtet das Treiben.

Der Hilfszug im Detail

Eine Folge der „Eisenbahn-Romantik“ widmet sich ebenfalls dem Hilfszug und zeigt den 1981 von der Deutschen Bundesbahn produzierten Kurzfilm „Einmal Hilfszug dringlich…“: