Mit dem Steppenpferd 24 009 über Solinger Strecken

Pendelverkehr über die Korkenzieherbahn, Müngstener Brücke und nach Ohligs

Dass die 24 009 hinreichend oft im Bergischen unterwegs war, nachdem sie von der Arbeitsgemeinschaft Eisenbahn-Kurier e.V. aus der DDR nach Westdeutschland überführt wurde, habe ich hier bereits ausreichend oft ausgeführt. Am 2. und 3. Dezember bot sich eine interessante Begebenheit das Konto der Aufnahmen aus Solingen etwas aufzufüllen. 24 009 verkehrte ausgehend vom Hauptbahnhof durch die Stadt.

Solingen, auch das habe ich hier bereits erwähnt, wurde häufig gemieden. Nicht dass Solingen per se zu meiden wäre, aber zumindest bei einer Zugverfolgung ist Solingen ein schlechtes Pflaster, da man dort «so schlecht weg kommt» bzw. schlecht zurück nach Remscheid kommt. Der Zug ist um ein vielfaches schneller als man es per Auto sein könnte – nicht ohne Grund wurde ja schließlich die Müngstener Brücke gebaut. Umso besser wenn 24 009 sowieso primär in Solingen ihre Runden dreht. An jenem zweiten Adventswochenende im Jahr 1972 passierte genau dies: 24 009 tingelte von Solingen Hbf nach Solingen-Wald, Remscheid Hbf und Solingen-Ohligs im Wechsel. Mein Vater war mit der Kamera dabei und bietet mir hiermit die Möglichkeit auch etwas Solingen auf die Karte zu bringen.

Zwei Dutzend Aufnahmen konnten digitalisiert, und so zum einen vor dem Verfall – und zum anderen der Nachwelt nun erhalten werden. Mit Abmessungen bis über 48 Megapixel sind die einzelnen Ausgangsbilder auch hinreichend üppig digitalisiert. Natürlich gebietet es die Dateigröße auch hier, dass für das Internet Abstriche gemacht werden. Full-HD von diesem Ausgangsmaterial zu erstellen stellt sicherlich kein Problem dar. Mit diesen Daten zu arbeiten macht doch deutlich mehr Spaß als die Ergebnisse all der alten CT 18 Agfa Diafilme zu retten. Die Papierabzüge waren stets sauber gelagert, altern unmerklich und erlauben bedingt durch ihre Größe ganz andere Möglichkeiten in der Digitalisierung. Es gibt von dieser Sonderfahrt auch einige Dias, allerdings haben diese schon zu sehr gelitten und sind leider nicht mehr veröffentlichungswürdig.

Da die Papierabzüge als Originalquellen neben dem Datum und der Ortsangabe leider keinerlei weitere Informationen erhalten, könnte ich mich hinsichtlich einer Chronologie an den Fahrplan halten, der glücklicherweise durch das Ausschreibungsblatt zur Sonderfahrt erhalten blieb. Ich habe mich jedoch entschieden nach Lokalität zu gruppieren.

24 009 mit Personenzug auf der Korkenzieherbahn

Die Ausschreibung gibt auch direkt eine Besonderheit preis die man zu dieser Zeit erleben durfte: Die Korkenzieherbahn wurde befahren. Ihr werden wir uns direkt zu Anfang widmen. Murphys-Law des Chronisten: Wann immer Du ein besonders seltenes Foto findest, ist es garantiert unscharf. Ich habe versucht zu retten was zu retten ist, aber 24 009 in Solingen Wald ist unscharf. Da trösten auch die knackscharfen Aufnahmen aus Solingen Hbf kaum – die Korkenzieherbahn war selten das Ziel meines Vaters (ich wäre sogar von einer gewissen Ignoranz zu sprechen bereit), entsprechend rar sind Bilder davon im Archiv.

Und wie es der Teufel will, gibt es nur noch genau eine Aufnahme von der Strecke von Solingen-Hbf nach Solingen Wald von dem Tag. Immerhin: Das ist wenigstens scharf.

Zur Strecke:

Ähnlich wie die Stichstrecken nach Hasten und Bliedinghausen in der Nachbarstadt Remscheid diente auch die Nebenstrecke Korkenzieherbahn vornehmlich dem Gütertransport. So verwundert es auch nicht dass auch bei ihr bereits zu Kriegszeiten der planmäßige Personenverkehr offiziell eingestellt wurde. Auf der Korkenzieherbahn galt es allen voran Stahl und Kohle, geliefert aus dem Ruhrgebiet, auf schnellem Weg von Wuppertal nach Solingen zu bekommen.

Vor allem die Schneidwarenindustrie in Solingen war deshalb dankbarer Nutzer der Korkenzieherbahn in Solingen, die ihren Namen der sehr kurvigen Trassierung verdankt. Und, ohne etwas vorweg zu nehmen: Wer sich dessen vergewissern möchte kann sie heute beradeln oder bewandern, denn sie ist seit einigen Jahren als Fahrradtrasse ausgebaut, nachdem auch der Güterverkehr zum 31. März 1995 endgültig beendet, und die Trasse stillgelegt wurde. Hier kann man sich den Trassenverlauf noch einmal schön ansehen.


Um die ersten beiden Bilder des Artikels noch mitzunehmen: 24 009 steht hier in Solingen Hbf, der später als Ruine zweifelhafte Bekanntheit erlangen sollte, und dessen Bahnhofsgebäude vergleichsweise abseits vom Bahnhof selbst nicht gerade Schönheitspreise zu gewinnen gewillt war. Interessant am ersten Bild des Artikels ist aber allemal der Fußgängerüberweg zum Bahnsteig, vor allem die gehöckerte Überdachung der Treppe.

Die üppige Verglasung des Überwegs lud allerdings spätestens ab den späten 80ern die hiesige Randaliererschaft fortlaufend dazu ein ihre Zielgenauigkeit zu testen. Schaute man sich den Übergang an, waren sie auch nicht ganz so schlecht. Allerdings trug das nicht gerade zu einem freundlichen Bild des Hauptbahnhofs bei. Ein Schicksal übrigens, welches der Hauptbahnhof in Remscheid in diesen Tagen geteilt hat, denn auch er verfügte über eine verglaste, überdachte Fußgängerüberführung zum Bahnsteig. Allerdings, so meine Erinnerung, hatte man in Remscheid bruchsichereres (!) Glas verbaut.

Von Solingen Hbf zu Solingen Hbf

Es ist eine geschichtliche Anomalie und ein Drama für jeden Chronisten, der seine Daten anständig organisiert wissen möchte. Im Zuge der Regionale 2006, einem Strukturförderungprogramm des Bergischen Städtedreiecks Remscheid, Solingen und Wuppertal wurde auch in Solingen kräftig gewullacht wie man nur wenige Kilometer nördlich von Solingen so schön sagt. Das hatte zur Folge dass Solingen seinen alten Hauptbahnhof verlor. Da nur wenige Streckenmeter vor und hinter dem Bahnhof zwei neue Haltepunkte entstanden, wurde der Schandfleck obsolet. Neuer Hauptbahnhof ist der heimliche Hauptbahnhof geworden: Solingen-Ohligs. Er war der Bahnhof Solingens, der das Rheinische Schiefergebirge mit dem Rheinland und dem Ruhrgebiet verband.

Nun steht man als Chronist vor der undankbaren Aufgabe zwei Hauptbahnhöfe in einer Stadt verwalten zu müssen.

Im heutigen Hauptbahnhof (Ohligs) wurde noch eine weitere Aufnahme der liebevoll als Steppenpferd bezeichneten BR 24 angefertigt. Für nicht wenige gilt sie neben der preußischen P8 wohl als die beliebteste und stimmigste Dampflok. Dem trug natürlich auch der Umstand bei, dass mit 24 058 in den Mittleren 50er Jahren reihenweise die Br 24 des Modellbahnherstellers Märklin in Spur H0 auf den Gabentisch gewandert ist.

Durch den alten Hauptbahnhof fuhren bereits seit Jahrzehnten nur noch V100 mit Silberlingen und später untermotorisiert anmutende Triebwagen des Typs 628. Und es ist eine Ironie der Geschichte, dass Solingen immer ob des so weit vom Stadtzentrum liegenden Hauptbahnhofs nicht sehr glücklich war, mit Ohligs einen neuen Hauptbahnhof bekam, der noch viel weiter außerhalb des Stadtkerns liegt. Aber hier in Ohligs war man mit mehr als V100 + drei Silberlingen versorgt, da die Bergisch-Märkische-Strecke seit jeher ja auch vom Fernverkehr befahren wird.

Die Umgehungskurve Ohligs

Die Ausfahrt aus Solingen-Ohligs nach Solingen Hbf bzw. heute Solingen Grüneberg ist interessant, denn die beiden Hauptstreckengleise sind auf ein paar Hundert Metern baulich deutlich voneinander getrennt. Das Gleis Richtung Remscheid liegt einige Meter höher als das Gleis Richtung Ohligs und ist zeitweise auch nicht parallel. Der normale Nahverkehrsnutzer mag sich dabei nie etwas gedacht haben, ich habe mich hingegen schon immer gefragt was es damit auf sich hatte. Der von meinem Vater auf dem folgenden Bild festgehaltene, völlig sinnfrei erscheinende Erker war mir dabei schon immer besonders aufgefallen.

Ein Blick in die Geschichte offenbart den Grund, den Zeno Pillmann festhielt und den man heute unter anderem auf Bahnen Wuppertal nachlesen kann. Und es wäre die Antwort auf den Misstand gewesen, den auch ich als Teenager habe erfahren dürfen: Nach Köln zu kommen war (mal abgesehen vom Tarifwahnsinn der unterschiedlichen Verkehrsverbunde) ätzend, da man stets in Ohligs erstmal umsteigen musste und die Verbindungen nicht gerade freundlich gestaltet waren. In Düsseldorf war man wesentlich schneller.

Die Anhebung der Trasse galt der Beseitigung dieses Problems, die aber nie Realität geworden ist. Da man vermeiden wollte dass man von Köln kommend in Ohligs Kopf machen musste um weiter nach Remscheid zu fahren, hob man die Trasse an um die neue Trasse vor dem Bahnhof Ohligs abzweigend unter der Verbindung Solingen – Remscheid – Wuppertal her zu führen. Damit ist auch der Erker erklärt: Hier sollten die Züge aus Richtung Leichlingen kommend noch vor Ohligs abzweigen können, unter der Trasse hindurch fahren um so auf der Strecke nach Remscheid wieder einzufädeln. Der Verbindung Köln – Remscheid hätte dies zum Vorteil gereicht und Ohligs hätte südlich ein Gleisdreieck gehabt. Letztendlich ist es nie dazu gekommen. Die Anhebung der Trasse ist als Relikt aber bis heute geblieben.

24 009 vor dem Weyersberger Tunnel

Gehen wir noch mal vom neuen Solinger Hauptbahnhof zum alten. Am Westausgang des alten Hauptbahnhofs Solingen befindet sich einer der drei Tunnel der Verbindung Solingen – Remscheid – Wuppertal, der Weyersberger Tunnel, der mit seinen 59 Metern noch so gerade etwas länger ist als ein handelsüblicher Triebwagen und der kürzeste Tunnel der Strecke ist. Erwähnenswert und am Rande bemerkt sei hier übrigens, dass lediglich der Büchener Tunnel zwischen Remscheid-Güldenwerth und Remscheid Hbf ein echter Hauptstreckentunnel mit nur einer Tunnelöffnung für beide Hauptstreckengleise ist. Sowohl in Solingen wie auch in Rauental wurden mehrere Tunnel ins Massiv geschlagen, wobei der Weyersberger Tunnel eher wie eine massivere Brücke daherkommt.

Noch etwas ist bemerkenswert, auch wenn man es auf dem Bild gar nicht sieht: Die Brücke über die Trasse auf der mein Vater steht! Ich habe diesen Ort zuletzt 2010 besucht, als wieder einmal Brückenfest war, bzw. das, was 2010 noch davon übrig blieb. »Woher nahmst Du die Kraft den Mut noch zu haben, das Ganze zu wollen doch nur die Rest zu schaben?« Wer mag und wissen will wie und was der Sohn des Vaters an dem Tag so fotografiert hat kann gerne einmal in meinem privaten Blog vorbei schauen. 2010 war die Brücke jedenfalls schon nicht mehr passierbar. Mittlerweile ist sie ganz abgerissen und die Brückenstraße in Solingen ist nicht mehr verbindend, sondern eine beidseitige Sackgasse. Das schafft immerhin Parkraum. Und so zeigt das Archiv nicht nur direkt, sondern in dem Fall auch indirekt den Rückbau auf. Das durchzieht nahezu das gesamte Archiv.

Einen Vorschuss vom Nachschuss gibt es natürlich auch:

Abstecher in Solingen Heidberg

Um von Ohligs überhaupt wieder zum alten Hauptbahnhof Solingen zu kommen muss man an Solingen-Heidberg vorbei. Heidberg ist ein von Eisenbahnfotografen gerne genutzter Standort, was an dem dort befindlichen, alten Posten in schöner Fachwerkbauweise liegt, der ein schönes Motiv abgibt. Normalerweise. Mein Vater hat an jenem Tag auch einen Abstecher nach Solingen Heidberg gewagt, allerdings ist der Posten nur zu erahnen. Leider fällt auch die Bildqualität ab. Dem Fernsprecher alter Bauart im Vordergrund zuliebe sei das Bild dennoch veröffentlicht.

Die nächste Aufnahme zeigt einen Nachschuss und offenbart, dass der Nahverkehr dem Motiv fast in die Parade gefahren wäre. Am Ende konnte man noch eine schöne Begegnung auf Film bannen. Im Hintergrund erhebt sich die Martin Luther Kirche in Solingen.

24 009 in Remscheid-Güldenwerth

Die 24 009 in Güldenwerth war wie die 41 360 in Güldenwerth oder Dinner for One an Silvester. Allerdings gibt es einen Unterscheid: Ob 24 009 in Zukunft noch mal über die Müngstener Brücke schleichen darf und in der Zukunft ebenso immer wieder nach Güldenwerth kommt wie Dinner for One an Silvester muss sich erst noch zeigen. Aber von 1972 bis 2009 kam sie immer wieder und auch am 2. Dezember 1972 ist eine Aufnahme entstanden. Man sieht 24 009 im Bahnhof, und dass Gleis 3 ein Sperrschild hat. Vor allem aber erhebt sich am Nordausgang des Bahnhofs das alte Stellwerk. Rechts sieht man die Fabrikantenvilla von Hazet und am Horizont den Stadtkern Remscheids – ein Blick, der durch den heutigen Bewuchs etwas undurchsichtiger geworden ist.

Mitfahrt von Solingen-Ohligs nach Remscheid Hbf

Natürlich hat man es sich nicht entgehen lassen auch selbst einmal mitzufahren. Dem Wunsch des Chronisten ausgiebig die Korkenzieherbahn zu fotografieren wurde nicht Folge geleistet – es ging über Solingen Hbf, Schaberg und die Münstener Brücke von Solingen-Ohligs nach Remscheid Hbf. Da die Fotos alle nicht unbedingt spannend sind, soll nur eines davon veröffentlicht werden. Es zeigt den Sonderzug bei der Ausfahrt aus Remscheid-Güldenwerth. Der Zug hat den Bahnhof bereits hinter sich gelassen und befindet sich auf dem letzten Stück der Rampe ab Schaberg hoch nach Remscheid Hbf. Interessant zu sehen ist, dass bereits im Winter 1972 der Bahnhof Güldenwerth mit Lichtsignalen ausgestattet war, die allerdings noch nicht in Betrieb waren. Sie sollten erst nach der Fertigstellung des Stellwerks in Remscheid Hbf 1974 in Betrieb gehen, und sowohl die Stellwerke in Güldenwerth, wie auch die auf dem Bild ebenfalls zu sehenden Seilzüge obsolet machen. Ebenfalls auf dem Bild zu erkennen ist zudem der Bismarckturm im Remscheider Stadtpark, der sich in der Mitte des Bildes am Horizont erhebt.

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