Dampfzug Sternfahrt nach Remscheid-Lennep

Kurzes Dampfspektakel mit Hindernissen

Die Steigungen sowohl aus Richtung Solingen wie auch aus Wuppertal machten Remscheid, die sich gerne Seestadt auf dem Berge nennt, nicht gerade zu einem einfachen Terrain für eine 01, entsprechend selten war die Schnellzuglokomotive dort anzutreffen. Im März 1973 kam sie gleich doppelt mit zwei weiteren für die Region selten anzutreffenden Dampfloks nach Lennep.

Das Titelbild zeigt, durch das imposante Gebäude der Eisenbahndirektion Wuppertal fast schon modellbahnhaft, 01 1077 in Wuppertal-Elberfeld. Von Hagen aus machte sie den Schlenker über Wuppertal und Solingen nach Remscheid. In Wuppertal-Vohwinkel begegnete sie die ebenfalls auf dem Weg nach Remscheid-Lennep befindliche 01 1063, die ihre Reise aus Köln antrat. Zuvor wurde der Zug allerdings noch in Wuppertal-Oberbarmen abgepasst, wie die folgende Aufnahme beweist. Ein Moment später, und die Lok wäre auch ohne störende Oberleitung abgelichtet worden. Heute neigt man ja eher dazu die „Nähmaschine“ anzuwerfen und Serienbilder zu machen. Da wäre sowas nicht passiert. Allerdings dürfte dieser eine Klick auch weniger die Videofilmer genervt haben – so denn Super 8 Filmer mit Tonspur überhaupt vorhanden waren. Prägnant und stilgebend für die Ostausfahrt Wuppertal-Oberbarmen ist die ganzflächige Wicküler-Werbung an der Hausfassade. Den Unwissenden sei es geschrieben: Wicküler war seit 1845 eine renommierte Brauerei in Wuppertal bzw. Elberfeld. Heute ist sie längst, wie nahezu alle Brauereien, von den großen der Branche geschluckt worden. Außerdem auf dem Bild zu erkennen ist links neben der Strecke das Stellwerk „Ro“.

Sie kamen aus allen Richtungen und sie fuhren wieder in alle Richtungen, allerdings anders, als man das als Mitreisender gewünscht hätte, dazu später mehr. Die Richtungen, aus denen man nach Lennep mit der Bahn reisen konnte, waren noch vielfältig, und doch kamen sie alle über die Hauptstrecke:

  • 01 1063 (012 063-4) kam als E41051 mit ihrem Sonderzug aus Köln über Wuppertal nach Remscheid
  • 44 644 (044 644-3) kam als E43143 ebenfalls über Wuppertal nach Lennep, startete allerdings in Essen
  • 50 705 (050 705-3) startete als E41053 in Düsseldorf und kam über Solingen-Ohligs nach Remscheid
  • 01 1077 (012 077-4) kam als E42368 von Hagen über Solingen nach Remscheid

Ein großer Bahnhof für Lennep an jenem 24.03.1973, und Lennep sollte wohl das letzte Mal so viele Personenwaggons, für die Region untypische Dampfloks und vor allem so viel Publikum sehen. Diesen großen Bahnhof kann man zumindest in Ansätzen auf dem nächsten Bild sehen. Auf Gleis 1 steht bereits 050 705-3. Ein Blick auf die Bahnhofsuhr verrät, dass es mit gut 16:50Uhr bereits spät ist und die Züge sich langsam schon wieder auf den Weg machen- nur wusste das nicht jeder.

Von 050 705-3 gibt es noch eine s/w Aufnahme, ich natürlich nicht vorenthalten möchte. Sie steht im Bahnhof Remscheid-Lennep hier auf Gleis 1. Rechts im Anschnitt ist das alte Gebäude für die Bahnbeschäftigten zu sehen, welches schon zu dieser Zeit längst nicht mehr so viel unterbringen musste, wie noch zu Zeiten des aktiven Betriebs des Bahnbetriebswerks am nördlichen Ausgang des Bahnareals. Auch in diesem Bild wieder unverkennbar die zahlreich im Gleis spazierenden Leute. Mich irritiert das schon, war doch seit ich denken kann zumindest an Bahnhöfen bei jedem größeren Auflauf wildgewordener Trainspotter ehemals die Bahnpolizei, später der Bundesgrenzschutz am Platze.

In den Bahnhof gefahren ist 050 705-3 ganz ohne Zutun meines Vaters – zumindest laut Archivlage heute, denn es gibt kein Foto welches die Einfahrt nach Lennep zeigt. Wie man sieht, hat sie es aber auch ohne Foto nach Lennep geschafft. Und sie hat es ohne Schiebelok geschafft, das sei am Rande erwähnt. Genauso hat es auch die 44 644 bzw. 044 644-3 gehalten. Sie hatten keine Probleme mit der Steigung zu erwarten. Von der Einfahrt der 44er gibt es ebenfalls einen s/w Abzug im Archiv. Aufgenommen wurde das Foto hinter der Diepmannsbacher Straße, also beim ehemaligen Waggon-Ausbesserungwerk, wo zu der Zeit auf den Abstellgleisen noch „die Hütte voll stand“. Der hohe Turm über den Waggons ist übrigens der Wasserturm von Remscheid-Lüttringhausen.

Ich weiß nicht was soll es bedeuten… Mein Vater hatte eine Vorliebe für den Kremenholl in Remscheid. Unzählige Bilder sind dort entstanden. Dazu gehört auch eine Aufnahme von 01 1077. Wirklich ein schönes Motiv gibt diese Ecke aber nicht ab. Heute wäre dieses Foto auch nicht mehr möglich. Zum einen ist der Bereich an der Kippdorfstraße teils neu bebaut, teils zugewuchert. Zum anderen ist der hintere Teil des hinter der Strecke zu sehenden Alexanderwerks in Remscheid abgerissen. Was geblieben ist, ist die Strecke. Außerdem thront noch immer die Lutherkirche auf dem Holscheidsberg, auf dem sich Alt-Remscheid befindet. Im Übrigen, soviel Lokalpatriotismus sei eingestreut, schauen wir bei diesem Bild auf die höchste Erhebung einer Großstadt nördlich der Donau. Um da hoch zu kommen hat sich 01 1077 doch lieber Verstärkung hinten angehangen. 01er kamen, wenn sie denn mal kamen, wohl nie ohne Schublok nach Remscheid- auf dem Bild aber leider nicht zu sehen.

Das war es dann aber auch schon an Streckenbildern. Zwar existiert meines Wissens noch irgendwo eine Aufnahme von 050 705-3 in Höhe Bökerhöhe, aber im Moment ist sie verschütt gegangen wie man so schön sagt- nicht auffindbar. Begeben wir uns also wieder in den Bahnhof Remscheid-Lennep. Es ist eine bloße Mutmaßung, aber es sieht so aus als ob 050 705-3 dort gerade ihren Sonderzug von Gleis 1 umsetzt auf Gleis 3.

Ausfahrten aus Lennep

So schnell sie kamen, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. Die Herrlichkeit am Bahnhof fand ein jähes Ende. Zu schnell, wenn man den Verlautbarungen „aus dem Internet“ glauben schenken darf. Ein Eilgüterzug musste die Strecke passieren, und dem verantwortlichen Fahrdienstleiter war wohl etwas Bange angesichts der Menschentrauben, die sich nicht nur am Bahnsteig, sondern vor allem auch im Gleis befanden. Deshalb soll nach Absprache früher losgefahren worden sein um den Bahnhof zu räumen. Die Ausrufe über die Lautsprecher konnte man aber nicht überall vernehmen, und so blieben einige Reisende zwar nicht ohne Fahrschein, doch aber ohne Zug, denn der setzte sich vorzeitig wieder in Bewegung. Das erklärt auch, warum die sonst übliche Fotoausbeute ausgerechnet am „Heimatbahnhof“ diesmal so mager ausfällt.

Die beiden Ausfahrten aus der Südseite des Bahnhofs-Lennep wurden festgehalten. Von der 50 705 sowie von der 01 1077 existieren leider keine Aufnahmen, oder sie sind bislang nur noch nicht wieder aufgefunden.

Zunächst blicken wir auf 044 644-3, die auf dem Solinger Gleis den Bahnhof verlässt. Mein Vater positionierte sich mit vielen anderen auf den Gleisen des ehemaligen Anschlusses der Kammgarn-Spinnerei, welche bei Anreinern vor allem für ihre stinkenden Klärteiche zweifelhafte Berühmtheit erlangten. Stand der Wind falsch, hatte man noch bis in die späten 80er Jahre das zweifelhafte Vergnügen von einer übel riechenden Suppe umweht zu werden. Heute ist das genauso wenig denkbar, wie die Mengen an Menschen im Gleis am Bahnhof-Lennep, und das liegt nicht nur daran dass die Gleise gar nicht mehr existieren.

Außerdem wurde 01 1063 bei der Ausfahrt festgehalten. Sie verließ Remscheid-Lennep ebenfalls in südlicher Richtung wieder nach Köln. Allerdings fuhr sie über die Strecke des Balkanexpress‘ über Opladen zurück.

Von diesem Bild gibt es noch einen Scan eines s/w Abuzgs in 10x15cm. Dieser wurde angefertig, als dass Dia noch bessere Tage hatte. Es findet sich im Artikel Bf. Remscheid-Lennep in den 70er Jahren.

Eine weitere, mir nicht schlüssige Aufnahme ist im Archiv erhalten. Sie zeigt ebenfalls 012 063-4, allerdings auf dem falschen Gleis, nämlich ebenfalls dem Solinger. Wurde auch hier umgesetzt? Die Blickrichtung des Lokführers und auch der Abdampf aus der Zylinderentwässerung lässt diesen Schluss zu. Ungeachtet dessen bietet dieses Bild noch einmal einen Blick auf den Bahnhof Remscheid-Lennep in alten Tagen. Außerdem sehen wir dass sich der Bahnhof bereits merklich geleert hat. Vor allem sehen wir aber, dass das Wetter ganz untypisch für eine Sonderfahrt in Remscheid war, zumal es in den März terminiert wurde. Den strahlend blauen Himmel hat man dann auch umfassend eingefangen – schien er doch fast noch seltener in Remscheid gewesen zu sein als 01 1063. Eine Frage an die Experten: Handelt es sich bei dem Gleis, aus dem sich mein Vater befand um einen Ablaufberg, oder sind dies lediglich „augebockte“ Anschlussgleise für Kammgarn gewesen?

Sternfahrt nach Remscheid-Lennep mit 01 1063, 24.03.1973

Die Antwort auf ein mögliches Umsetzen liefert ein verschollenes Dia, welches sich allerdings glücklicherweise als als s/w Abzug im Archiv befindet. Dieses Foto wird kurz zuvor aufgenommen worden sein, zeigt es doch schließlich 01 1063 unmittelbar am Fotostandort in einer interessanten Perspektive.

Dass eine Ausfahrt über das Solinger Gleis ausgeschlossen werden kann, lieferte ja schon das Foto etwas weiter oben, welches 012 063-4 auf dem Borner-Gleis auf der Rampe zeigt. Ein Nachschuss unterstreicht diese Ausfahrt und bildet den Abschluss der Aktivitäten in Remscheid-Lennep an diesem Tage, und markiert damit auch das Ende dieses Artikels. Außerdem bietet das Bild die Möglichkeit sich noch einmal der Gleissituation am Südausgang des Bahnhofs anzunehmen. Ganz links gehen an der Rampe die Gleise Richtung Bergisch-Born, von wo aus man weiter Richtung Marienheide ins Oberbergische, oder Richtung Opladen an den Rhein gelang. Letztgenannte Strecke, die aufgrund ihrer kurvenreichen Trasse durch die Vorgärten des Rheinischen-Schiefergebirges im Volksmund den Namen Balkan-Express hatte, schlug auch 01 1063 ein. In der Mitte des Bildes befindet sich die Hauptstrecke mit dem Wuppertaler Gleis links und dem Solinger Gleis rechts. Das ganz rechte Gleis im Bild war der Zugang für die Kammgarn-Spinnerei von Wülfing, wo das Schild „L“ kräftiges Läuten an dem Tore als die für den Zutritt bevorzugte Strategie anzugeben scheint. Aber wo landete das Gleis in der Mitte, in dem mein Vater stand?

Bis auf die Gleise der Hauptstrecke nach Wuppertal und Solingen ist davon heute nichts mehr vorhanden. Auch die Kammgarn-Spinnerei ist, nachdem sie jahrelang der Natur überlassen wurde, zwischenzeitlich abgerissen und das Gelände neu bebaut worden.  Die dahinter befindliche Ortschaft, bestehend aus einem Backsteinbau-Konglomerat an Arbeiterhäusern, heißt bis heute Kammgarnsiedlung.

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2 Kommentare

  • Martin Bollongino schrieb
    | » Antworten

    Hallo Herr Gerhardts,

    vielleicht ist die Frage nach dem mittleren Gleis, in dem Ihr Vater stand, längst geklärt. Falls nicht: Nach meiner Erinnerung ist das nur ein Ausziehgleis gewesen, dass irgendwann an einem Prellbock endete. Auf dem Gleisplan, den ich auf der Lennep-Seite von „bahnen-wuppertal.de“ gefunden habe, wird dieses Gleis als Gleis 34 bezeichnet. Das Ganze sah aus wie ein kleiner Ablaufberg. Ich weiß aber nicht, ob das Gefälle tatsächlich in dieser Weise beim Rangieren ausgenutzt wurde. Ich habe die Rangierarbeiten in Lennep nie beobachtet, sondern kann mich nur durch das Vorbeifahren an diese Gleise erinnern.

    Ich hoffe, damit ein wenig zur Klärung beigetragen zu haben.

    Ihr Martin Bollongino

    • Hallo Herr Bollongino,

      die Frage ist derweil tatsächlich geklärt. Vom Ausziehgleis ging in früherer Zeit noch ein Anschlussgleis für die Kammgarn-Spinnerei ab. Davon ist mir leider kein Foto bekannt.
      Mit dem Ablaufberg lagen Sie ebenfalls richtig. Die größte Herrlichkeit war aber auch hier schon in den 50ern vorbei.

      Viele Grüße
      Armin Gerhardts


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