Und das gleich aus mehreren Gründen:
- Zum einen haben wir es mit Zuglok 01 519 mit einer Lokgattung zu tun, welche ohnehin höchst selten auf der Remscheider Strecke zugegen war. Man muss tief im Archiv suchen um zu finden, wann die letzte 01 zuvor durch Remscheid kam. Ich bin im März 1973 gelandet, anlässlich der Dampfzug Sternfahrt nach Lennep. Immerhin gut 25 Jahre liegen also zwischen den beiden Besuchen einer 01 in Remscheid.
- Zum anderen haben wir es hier nicht mit irgendeiner 01 zu tun, sondern mit einer Reko 01 der Deutschen Reichsbahn. Dass ausgerechnet eine Ex-DDR Umbau-01 den Weg nach Remscheid findet, ist ein echter Glücksfall für Fotografen. Die Lok dann noch prägnant neben der Thyssen Leuchtreklame am Remscheider Hauptbahnhof abzulichten zeigt plakativ dass die Einigung Deutschlands offenkundig vollzogen wurde. Die letzten Reko 01 – darunter auch jene 01 519 – hat mein Vater lange nicht gesehen. Zuletzt musste er bis Bebra reisen um sie vor die Linse zu bekommen. Auch das ist zum Zeitpunkt dieser Aufnahmen bereits 25 Jahre her gewesen.
- Als letzten Punkt ist anzumerken, dass hier nicht einfach irgendein Zug den Berg hoch gezogen wurde (und von V200 033 kräftig nachgedrückt). Immerhin handelt es sich bei dem Waggonmaterial um nicht weniger als den legendären Orient-Express. Der Orient-Express verband Paris mit dem damaligen Konstantinopel und galt gegengleich als der König der Züge und der Zug der Könige. Historisches Waggonmaterial jenes Orient-Express‘ rollte zu Ehren der Müngstener Brücke also nun auch über die Bergische Strecke.
An beiden Tagen verkehrte dieser Zug mehrfach über die Müngstener Brücke durch Remscheid. Das kann man gut daran erkennen dass auf dem ersten Bild 01 519 ohne Zugschlussscheibe verkehrt. Das nächste Bild zeigt selbigen Zug bei gleichem Wetter, allerdings bei der Einfahrt in Remscheid-Güldenwerth, also direkt vor Remscheid Hbf mit der sicher nicht der Dienstanweisung zugehörigen Zugschlussscheibe am Zuganfang. Auffällig ist auch dass der Zug im Vergleich zum ersten Bild gedreht ist. Die näheren Umstände sind mir nicht bekannt und ich konnte sie auch nicht rekonstruieren.
Es gibt einen lohnenswerten Nachschuss von diesem Fotopunkt. Nicht nur, dass man noch mal im Detail einen Blick auf den gut erhaltenen Orient-Express werfen kann: Der Nachschuss offenbart auch wie es 01 519 den Berg hoch nach Remscheid mit dem langen Zug überhaupt schaffen konnte, denn die Remscheider Strecke ist nicht unbedingt geeignet für die hochhackige 01: V200 200 033 hat kräftig schieben dürfen wie die Rußfahne über der Lok deutlich macht.
Dass das Wetter auch anders kann, kann man an ganz ähnlicher Stelle beobachten, nämlich am Bahnsteig von Güldenwerth. Dort gibt es eine Aufnahme des Orient-Express bei erstklassigem Wetter. Das ist nicht untypisch für Sonderfahrten in Remscheid: Bei einem Wochenende fällt ein Tag ins Wasser. Für den Fotografen bedeutet dies, dass an einem Tag schwierige bis unmögliche Bedingungen vorherrschen. Natürlich ist das Wetter an dem Tag bestens, als nicht 01 519 den Zug zieht. Dass die Bahn Mitte der 90er Jahre die Strecke dem wilden Baumwuchs überließ tat das Übrige für schwere Lichtverhältnisse. Es ist auch durchaus vorgekommen dass man im Sonnenschein Richtung Bahnhof startete, dort angekommen der Regen einsetzte und die Wolkendecke pünktlich mit Verlassen des Zuges aus dem Bahnhof aufriß. Welcher Trainspotter kann davon keine Arien singen? Widmen wir uns erstmal besserem Wetter in Güldenwerth.
Der Bahnsteig in Güldenwerth ist nicht unbedingt von Größe geprägt. Sie man an den Rußfahnen über der Lok sehen kann muss durch die Steigungslage bis zuletzt der Zug ordentlich gezogen werden. Müdes ausrollen in den Bahnhof ist hier nur mit kleinen Triebwagen möglich. Der Zug hier hängt noch zur Hälfte an der Steigung.
V200 033 treffen wir wieder in Remscheid-Lennep. Mit etwas Glück, wenn der Zug Aufenthalt in Remscheid Hbf. hat, schafft man es von Güldenwerth bis nach Lennep um noch die Einfahrt festzuhalten, so auch an jenem Tage:
Der Bahnhof Lennep, ehemals Bahnknotenpunkt mit Bahnbetriebswerk und Waggonausbesserungswerk, hat zu diesem Zeitpunkt schon deutlich abgebaut. Vor allem westlich des Bahnhofs, auf dem früher die ausgedehnten Bahnanlagen waren, säumt zu diesem Zeitpunkt bereits ein mannhohes Dickicht aus Birken die Kulisse. Es sollte noch 10 Jahre bis zum Sturm Kyrill dauern, bis die Bahn nennenswert das Grün beschnitt, obwohl es sogar 2002 zu einem Sturmschaden kam, als ein Baum in Höhe Blume auf den über die Strecke schleichenden Triebwagen krachte. Dies war während des Brückenfestes geschehen und Material dazu wird es hier über Kurz oder Lang auch geben, denn dies wurde sowohl mit Video, als auch mit Foto festgehalten. Ich kann mich gut erinnern wie wir den Bahndamm säumten und der Boden sich durch die Wurzeln im Sturm bewegte. Glück gehabt! Für das Brückenfest des Jahres bedeutete dies allerdings den Abbruch.
Weiter im Text! Nach Lennep war es alter Väter Sitte brauch nach Vohwinkel zu fahren, da man den Zug vorher nicht mehr sicher erwischen konnte – zu groß war das Risiko im Dickicht der Großstadt Wuppertal zu versacken oder keinen Parkplatz zu finden. In Vohwinkel, darauf war Verlass, war immer ausreichend Parkraum vor dem Bahnhof. Auch deshalb war Vohwinkel ein immer gerne von meinem Vater angesteuertes Ziel. Das Motiv ist just in diesem Jahr gleich mehrfach historisch geworden:
Neben dem Zug selbst gibt das Motiv auch den Blick frei für das markante Vohwinkler Stellwerk Vpf. Die Lebenszeit des Stellwerks ist genau in diesem Jahr abgelaufen. Normalen Bahnreisenden wird das vor allem deshalb aufgefallen sein, weil immer wieder über Wochen der Bahnverkehr eingestellt werden musste. Gefreut hat das die Anreiner direkt an der Bergisch-Märkischen-Strecke, konnten sie doch nun endlich dringend benötigte Fassaden- und Dachdeckerarbeiten durchführen. Ein „Aha Erlebnis“, warum es häufig unmittelbar am Schienenstrang in der Stadt etwas heruntergekommen aussieht: Anreiner haben durch die Oberleitung gar nicht die Möglichkeiten nennenswert außen zu sanieren und z.B. ein Gerüst zu stellen. Jetzt, wo die Bahn in Folge der Stilllegung obigen Stellwerks ohnehin nicht fuhr haben das jedoch einige in Wuppertals Talsohle in Angriff genommen. Für die Handwerker war das sicherlich noch mal eine andere Art von Termindruck.
Gehen wir für die letzten beiden Bilder noch einmal zurück an den Anfang unserer Reise: Remscheid Hbf. Die folgenden zwei Bilder wollen so gar nicht zueinander passen, und doch gehören sie zusammen. Das erste der beiden Bilder zeigt erneut V200 033, diesmal jedoch wieder als Schublok mit dem Orient-Express im Bahnhof auf Gleis 2.
Ein Motiv, welches unwiederbringlich verloren ist. Man erkennt deutlich die alte Fußgängerbrücke vom Bahnhofsgebäude zu den Gleisen 2 und 3. Außerdem lugt rechts neben der Lok die alte Ladestraße mit den Güterhallen hervor. Dort befindet sich heute der Kaufland. Vom Bahnhofsgebäude ist auch nichts mehr geblieben (Artikel dazu folgt) und von der Fußgängerbrücke ebenso wenig. Wie viele Stunden ich wohl an dieser gleich mehrsinnig zugigen Stelle verbracht habe? Das heutige Gleis 1, ebenfalls auf dem Bild, existiert gar nicht mehr. Gleis 2 wurde im Rahmen der Umbauarbeiten zu Gleis 1 und Gleis 3 wurde zu Gleis 2. Die damals schon wenigen Gütergleise daneben existieren jedoch noch heute. Dort werden die spärlichen Güterzüge für Mannesmann abgefertigt und der derzeitige Nahverkehrsanbieter Abellio hat dort sein Depot für die Triebwagen.
Die letzte Aufnahme zeigt, warum die beiden letzten nicht zueinander passen wollen. Wir sehen endlich wieder 01 519, aber wir sehen sie bei der Einfahrt in Remscheid Hbf nicht aus Güldenwerth, sondern aus Remscheid Lennep kommend, und das auch nicht als Schub- sondern als Zuglok. Der Wagenpark ist offenkundig auch nicht gedreht, zumindest 01 519 sehr wohl. Dem Filmmaterial entsprechend passt es allerdings zu der Brückenfest-Serie. Am Rande sei noch erwähnt dass 01 519 auf dem Titelbild auf Gleis 4 einfährt, auf obigem aber auf Gleis 2 steht. Vielleicht gibt es einen Mitleser der das aufklären kann?
Noch ein kleiner Nachtrag zum Waggonmaterial. Der Zug bestand nicht ausschließlich aus Waggons vom Orient-Express. Die ersten beiden bzw. letzten beiden Waggons gehörten zum Tee Ensemble, wovon einer ein Panoramawagen war. Die mit „reisebüro mittelthurgau“ beschrifteten Waggons waren prägnant und gehörten dem Anbieter seit 1981, nachdem sie bereits Mitte der Siebziger Jahre nicht mehr im Planverkehr des TEE am Rhein eingesetzt wurden. Die Bekanntheit der Waggons ist auch dadurch offenkundig, dass es sie als kommerzielle Produkte für die Modellbahn von mehreren Herstellern und für mehrere Spurweiten käuflich zu erwerben gibt. Die Originale gammeln heute leider nur noch vor sich hin.
Die blauen und braunen Waggons sind das Ensemble des in Paris stationierten Pullmann Orient-Express, ein in jeder Hinsicht luxuriöser und historischer Zug. Dieser Zug, gebaut in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre verkehrte früher zwischen Paris und London und war schon häufiger Teil von Filmaufnahmen, so z.B. für den Film „Mord im Orient-Express“. Der Zug wird auch heute noch für Sonderfahrten eingesetzt.
2 Kommentare
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Das die 01 einmal am einen und einmal am anderen Ende hing, liegt daran, dass der Zug seinerzeit in Düsseldorf übernachtet hat. Bei der letzten Fahrt am Tag eins fuhr der Zug Abends nochmal von Düsseldorf Hbf aus seine letzte Runde Richtung Neuss und Köln nur mit der V200 007. Grund dafür war meines Wissens, dass die Wasser Vorräte der Lok für den letzten Schlenker nicht mehr ausreichend waren, weshalb die Lok schon früher vom Zug ging. Da der Zug dann aus Köln über Leverkusen nach benrath fuhr, war der Wagenpark umgedreht als die 01 am nächsten Morgen wieder vorgespannt wurde.
… wäre das auch geklärt, vielen Dank!
Ich habe alles gegeben, jetzt bist Du am Zug!
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