Die Heizlok am Beispiel

Heizlokomotiven im Bahnhof Remscheid-Lennep

Bis Mitte der 70er Jahre gab es für den unbedarften Zugreisenden in den Wintermonaten das Phänomen zu beobachten, dass eine alte Dampflok irgendwo abseits der Bahnsteige gemütlich vor sich hin köchelte und säuselte. Sie wartete nicht etwa auf ihren Zug oder irgendeine Rangieraufgabe, ihre Aufgabe erfüllte sie mühelos im Stand: Es handelte sich hierbei um eine Heizlokomotive.

Auch wenn die Dampflokherrlichkeit in Lennep längst vorbei und das ehemalige Bahnbetriebswerk ebenso längst nicht mehr in Betrieb war, so konnte man vor allem in den Wintermonaten doch immer wieder Dampflokomotiven bestaunen. Den ohnehin fälligen Spaziergang ausgenutzt und herangepirscht über die Karlstraße, also über den alten Güterbahnhof, kam man so auch ganz dicht heran an die Loks. Und wenn man artig war auch das ein und andere mal auf den Führerstand. Die Heizlok als Abenteuerspielplatz.

Die Informationslage zu Heizloks in Westdeutschland und speziell zu Remscheid-Lennep ist mit „dünn“ noch wohlwollend beschrieben, obschon hier sämtliche verfügbare Literatur vorliegt – da das Archiv aber so viele Bilder eben jener Lokomotiven bereitstellt, möchte ich dennoch einen kleinen Einblick wagen. Die Heizlok war in Westdeutschland eigentlich kaum ein Thema und heute zu findende Loklisten künden auch von einer deutlich ausgeprägteren Nutzung in allen Schattierungen in Ostdeutschland. Bei der Bundesbahn ging es kurzweiliger und deutlich spartanischer zu. Weder wurden Loks im größeren Stil umgebaut, noch in Industrieanlagen eingesetzt.

So bleiben am Ende aber immerhin doch noch ein paar Bilder übrig der ruhig vor sich hin köchelnden Dampfspender.

Stellwerk LSW in Remscheid-Lennep

Obiges Bild gibt den Blick auf das viel zu selten auf Fotos zu sehende Stellwerk LSW preis und auch dieser Artikel muss sich mit Bildern des Stellwerks aus der Ferne beschränken. Man hat sich dann doch eher mit dem Drumherum befasst. Das LSW koordinierte den Ablaufberg sowie den weiteren Güterbereich am Südausgang des Bahnhofs bis hin zu Wülfing, der ehemaligen Textilspinnerei von der prägnant der Schornstein zu sehen ist. Dieser ist bis heute erhalten und fungiert neben einer Landmarke als Werbeträger für das heute dort ansässige Unternehmen „Feuerschutz Jockel“. Ebenfalls mit auf das Bild geschafft hat es der damals über Lennep thronende Wasserturm, der allerdings bereits am 13.12.1972 gesprengt wurde und so nur noch in der Erinnerung der heute Altvorderen eine Rolle spiele dürfte. Die Sicht auf den Wasserturm verdeckt ein wie eine kirchturmspitze anmutender Zwiebelturm. Dieser gehört zum ehemaligen Mädchenheim der Textilfabrik Wülfing. Auch dieses Gebäude existiert heute noch.

Es gibt ein weiteres Bild mit dieser Ansicht, allerdings nicht von 50 993, sondern 50 058. Auch dieses zeigt Stellwerk und Wasserturm in der Ferne.

Besser erinnern als an den Wasserturm an der Trecknase kann sich der eine oder andere sicherlich an die obligatorischen Packwagen, welche noch bis Ende der 80er Jahre in Lennep auf Gleis 2 standen. Hierbei handelte es sich um ein Kopfgleis welches im Bahnsteig mündete und es ist die Antwort auf die Frage, warum man in Lennep stets nur von Gleis 1 Richtung Wuppertal- und Gleich 3 Richtung Solingen abfuhren konnte, auch als Gleis 2 schon längst Geschichte war.

Gut zu erkennen ist aber natürlich vor allem 50 993, die in einem durch zwei Sh2 Tafeln jeweils vor und hinter der Lok `Niemandsland` steht, den Tender am Wasseranschluss und dem Personal sichtlich amüsiert auf der Lok. Es dürfte kein allzu harter Alltag gewesen sein.

Noch mal zurück zu den Waggons: Wie damals üblich wurden sie einfach dem normalen Nahverkehr angehangen, wodurch sich aus heutiger Sicht sehr fremd anmutende Zugbildungen ergaben. Auch ich kenne diese Zugbildungen nur noch aus allerfrühester Kindheit und sicher hat das Erblicken solcher Züge mehr Interesse geweckt, als dies heute beim Nachwuchs beim Erblicken eines spartanischen Lint 41 passieren dürfte.

Würde der Kilometerstein es nicht verraten, so wäre doch der abermals zu sehende Schornstein der Textilspinnerei Wülfing ein eindeutiges Indiz, dass wir uns auf diesem Bild nur 2km vom Bahnhof Lennep entfernt befinden. Doch genug es Exkurses.

Was ist eine Heizlok?

Eine Dampflok generell ist ja zunächst nichts anderes als ein Dampferzeuger auf Rädern. Mit dem Wegfall der zahllosen Bahnbetriebswerke fiel vielfach auch die Möglichkeit weg für „Fernwärme“ zu sorgen, da weder Loks, noch Betriebsmittel wie Kohle und auch etwaige den Betriebsanlagen angeschlossene Heizanlagen nicht mehr vorhanden waren. Die Bahn wollte den Loks das Rauchen abgewöhnen, ohne rauchende Bahnanlagen wurde es aber mit der Beheizung schwierig. Ein Versehen? Reine terminliche Lücken? Die Aufgabe der Dampfproduktion hätte man sicherlich auch mit Öl realisieren können. Die Bilder fallen jedoch alle in die Zeit rund um die Ölkrise und wo bei der Bahn auch die alten kohlegefeuerten 01er und 44er deshalb plötzlich einen kurzen zweiten Frühling erhielten, kann man sicherlich auch hier den Grund suchen warum plötzlich wieder Kohle geschaufelt wurde um Dampf zu produzieren.

  • Nun gab es Heizlokomotiven, die als fester Bestandteil in einen Industrie- oder Bahnkomplex eingebunden, als unbeweglicher „Energieerzeuger“ für Dampf sorgten. Sie waren die klassischen industriellen Dampfspender, die vor allem in Gebäuden und Sozialräumen für Wärme sorgten oder für Dampf überall dort, wo in der Industrie Dampf benötigt wurde.
  • Mit der sogenannten „pmH“, einer provisorisch mobilen Heizanlage, hatte man vor allem in Bahnanlagen der ehemaligen DDR eine Möglichkeit geschaffen Dampferzeuger bereitzustellen, welche durchaus noch aus eigener Kraft zum Einsatzziel fahren konnten und mit Sondergenehmigung dies auch durften, aber für den normalen Einsatz im Zugverkehr, erst recht als Zuglok, nicht mehr vorgesehen waren. Sie dienten vor allem der Beheizung von Waggons und Weichen.
  • Die aus westdeutscher Sicht klassische Heizlok, zumindest ist sie mir als solche seit Kindertagen geläufig, ist eine ganz normal in Dienst befindliche Dampflok, welche für einen bestimmten Zeitraum zur reinen Dampferzeugung genutzt wurde. In Remscheid-Lennep standen ausschließlich solche klassischen Heizlokomotiven, weshalb sich dieser Artikel auch ihnen widmet. Diese kamen bis auf einige Exoten aus dem Bw Duisburg-Wedau vor allem aus Wuppertal-Vohwinkel, der letzten Bastion der Dampflok im Bergischen Land Anfang der 70er Jahre.

Die Vohwinkler 50er heizten Lennep ein

Da Wuppertal-Vohwinkel zu der Zeit noch einige 50er vorhielt bevor auch sie entweder nach Duisburg-Wedau oder zum Schneidbrenner gingen, kamen diese in Lennep zum Einsatz. Gut zu erkennen ist auf obigem Foto das bereits vollständige Prinzip der „klassischen Heizlok“:

  • Der Tender der Heizlok ist über ein Schlauch mit einem Hydranten verbunden um für Frischwasser zu sorgen. Ein Verfahren, welches man auch heute gut von den Sonderfahrten kennt. Die Wasserkräne als Sinnbild der rückschrittlichen Bahn wurden ja vielerorts schnell entfernt, was die Bewirtschaftung nicht einfacher machte.
  • Vorne an der Lok wird über die Heizungskupplung der erzeugte Dampf abgegriffen und an einen Dampfverteiler zwischen den Gleisen weitergegeben.
  • Dort wiederum werden nun die abgestellten Reisezugwaggons angeschlossen, die fortan von der Lok mit Wärme versorgt werden können.

Ausschließlich Dampf für abgestellte Züge zu liefern ist natürlich deutlich dampfsparender als wenn die Lok im normalen Betrieb sich und einen Zug über eine Rampe ziehen müsste. Deshalb war es nicht ungewöhnlich dass ein solches Konstrukt durchaus ein paar Tage betrieben und am Bahnhof gesehen werden konnte. Neben der Speisepumpe, dem abfließenden Dampf in den Verteiler und natürlich dem Hilfsbläser wurde praktisch kein weiterer Dampf benötigt und die notwendigen Reserven an Kohle hielten eine ganze Weile. Man köchelte also auf lauer Flamme, doch sollte nicht unerwähnt bleiben dass das Feuer natürlich nicht nur beobachtet, sondern das Feuer in der Feuerbüchse auch regelmäßig mit frischer Kohle beschickt werden musste.

Nach Lennep kamen eigentlich immer Maschinen aus dem Bw Wuppertal-Vohwinkel, welches zu der Zeit noch einige Lokomotiven vorhielt. Der fortschreitende Traktionswandel machte die Reserven zunehmend entbehrlich und vermutlich ist es der ein oder anderen Lok ihrem Status als „temporäre Heizungshilfe“ zu verdanken, dass so manche kohlegefeuerte 50er doch noch so lange bis zum Dampflokverbot durchgehalten hat. Und folglich kann man festhalten dass einige der heutigen Museumsloks nur deshalb noch existieren, weil sie als Heizlok eben noch lange nützlich waren. Das gilt sowohl für klassische Heizlokomotiven, als auch für ehemalige Dampfspender. 01 519, die auch einmal in Lennep gastierte, ist sicherlich eine der bekanntesten Vertreter solcher Maschinen.

Wozu eine Heizlok in Lennep?

Bleiben wir in Remscheid-Lennep, so erfüllten die Heizloks ausschließlich die Vorheizung von Reizezugwagen, welche vor allem in den Wintermonaten sonst sehr schnell auskühlten. Anders als in Remscheid-Hbf gingen ab(!) Remscheid Lennep noch für einige Zeit Kurswagen auf große Reise, auch wenn das Nahverkehrsgeschäft auch hier längst dominant war. Das geschäftige Treiben am Bahnhof Lennep wurde auf folgendem Bild, quasi als Symbolbild, gut eingefangen. Es zeigt abermals 50 058, diesmal aber in einer Nebenrolle im Gesamtkontext des Bahnhofs Remscheid-Lennep. In den 70ern, obschon der Rückbau längst begonnen hatte, hatte der Bahnhof noch stattliche Ausmaße und Betriebsamkeit, sodass neben dem Dampfkocher gleich drei V100 und eine Zuggarnitur mit aufs Bild passten, nachdem sich heutige Museumsbahner wohl die Finger lecken würde. Derlei Züge hatten aus heutiger Sicht so unvorstellbare Ziele wie z.B. Hamburg-Altona oder Regensburg.

Mittlerweile besteht der Bahnhof noch aus 2 Gleisen und ist im Grunde zum reinen Nahverkehrsbediener verkommen. Die ehemaligen, großflächigen Gleisanlagen sind verschwunden. Bereits Mitte der 90er Jahre waren weite Teile zur reinen Schotterwüste verkommen, die mehr und mehr vom typischen Birkenbewuchs eingenommen wurde. Der Nordausgang des Bahnhofs, an dem das Waggonausbesserungswerk anschloss, ist heute ein Kleingarten. Das ehemalige Bw ein Holzverarbeitungsbetrieb.

Mit der Offensive Regionale 2006 und der Sanierung der Bahnhöfe wurde auch das direkte Bahnhofsumfeld verändert. Für Lennep bedeutete dies eine Ausschreibung des alten Gleis- und Güterabfertigungsareals als Industriegebiet – ausgeschrieben und angeboten ausdrücklich OHNE möglichen Bahnanschluss, wie auch schon das Industriegebiet am Gleisdreieck Bergisch-Born wenige 100 Schienenmeter die Balkantrasse entlang. Über die Trasse wird gerade geradelt. Mutmaßungen künden davon, dass derlei „weitsichtige“ und „sinnvolle“ Planungen dazu dienten der Verkehrsdurchsage im Radio langfristig eine auskömmliche Existenz zu sichern. Nun, das ist geglückt.

Die Bewirtschaftung

Natürlich bedarf auch eine Heizlok einer intensiven Bewirtschaftung, weshalb immer Personal in der Nähe war, welches dafür sorgte dass die Lok immer ausreichend Wasser und ein ausreichendes Feuer hatte. Wenn man lieb war – oder das Personal – war auch mal Platz und Zeit für „Kindheitstraum-Fotografien“, wie hier zu sehen am Beispiel des jüngeren Bruders meines Vaters, welcher offenkundig mit auf der Pirsch war und Modell stand bzw. saß. Damit schließt sich der Kreis zu den Anfangs gezeigten Bildern mit Blick den Kessellauf entlang Richtung Trecknase.

2x Heizlok auf Kleinbild

Leider haben die Dias doch bereits etwas gelitten und auch der nochmalige Versuch etwas zu retten aus dem matschigen Celluloid ist von unbefriedigtem Ergebnis. Der Vollständigkeit halber gehören sie aber natürlich auch in diesen Artikel, zeigen sie doch dass die Position, an der die Heizloks abgestellt waren, variierte. Musste man für alle vorherigen Bilder vom Bahnsteig aus den Blick gen Südwesten richten, sind die beiden folgenden Aufnahmen mit Blick in den nördlichen Bereichs des Bahnhofs angefertigt worden. Außerdem sehen wir mit 50 606 schon wieder eine andere 50er die für Dampf sorgt.

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Kartenansicht

Die Kartenansicht enthält alle Bilder, zu denen Standorte bekannt oder rekonstruierbar sind. Da es sich um historische Aufnahmen handelt, sind dies natürlich Näherungswerte und nicht auf den Meter genau.

2 Kommentare

  • Karl Müller schrieb
    | » Antworten

    Bin von dieser HP beeindruckt, sehr gut gemacht! Daß ich hier gelandet bin, liegt an der Sendung des WDR vom Zugunglück 1971 bei Radevormwald, die ich heute gesehen habe. Sehr traurig, insbes. wegen der vielen toten Kinder.

    Nun habe ich noch eine eisenbahntechnische Frage: Hatte der Bf Dahlhausen 1971 bereits Einfahtssignale ? Ich hoffe es gibt noch Zeitzeugen.

    • Hallo Karl,

      Dahlhausen hatte nie Signale. Die heute dort stehenden Ausfahrsignale sind erst in den 90er Jahren vom dort ansässigen Verein aufgestellt worden.

      Schöne Grüße,
      Armin


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