Mit 41 360 die Stunde 0 begehen

Wer war noch mal gleich Horst Binnewies?

Mit der 150-Jahr-Feier war das Dampflokverbot bekanntlich beendet. Im Sommer 1987 machte sich der Verein der Dampfloktration Oberhausen auf, ihre 41 360 ordentlich an die Luft zu lassen. Kein Zweifel, dass man diesem Spektakel beiwohnen müssen. Und es war für das Bergische der Startschuss für unzählige Sonderfahrten, die diese Lok hier in der Region leistete.

Bereits im Mai kam 41 360 das erste mal durch Remscheid, im Juni sollten weitere Fahrten anlässlich des 90. Geburtstags der Müngstener Brücke folgen. Nicht nur dass damit das Dampflokverbot auch im Bergischen endgültig Geschichte war, es erzeugte auch einen Umschwung der Interessenslage meines Vaters, was sich im Resultat heute im Archiv niederschlägt. Denn während ab ca 1983 intensiv die Straßenbahn dokumentiert wurde, schwenkt der Fokus 1987 wieder deutlich auf die Eisenbahn. Die „Saure-Gurken-Zeit“ war vorbei. Auch wenn die Bemühungen der Dampfloktradition-Oberhausen den Niedergang der „heimischen Hauptstrecke“ nicht aufzuhalten vermochten, so sorgten sie bis zur Sperrung der Müngstener Brücke 2009 immer wieder für Dampf auf der Strecke. Die 41 241 und noch viel mehr die 41 360 wurden hier derart heimisch, dass es vereinzelte Stimmen gab, die sich mehr Abwechslung wünschten.

Mir war das herzlich egal, 41 ist 41 ist 41 ist Dampflok! Und die Nikolausfahrten am Wochenende rund um den 6. Dezember eines jeden Jahres waren tatsächlich mein bahntechnischer Höhepunkt. Davon wird auch hier noch einiges zu erzählen sein, doch widmen wir uns hier dem Startschuss, der Stunde 0. 41 360 erobert das Bergische Städtedreieck Solingen, Wuppertal und Remscheid im (wie immer) verregneten Sommer 1987. Nicht zurückerobern, sondern erstmals, denn zuvor hatten die Rheiner BR 41 herzlich wenig mit dem Bergischen Städtedreieck zu tun.

90 Jahre Müngstener Brücke

Das erste Bild zeigt die Lok 41 360 bei der Ausfahrt aus Remscheid-Lennep. Hierbei handelt es sich wie bei den folgenden um eine Aufnahme vom 12.06.1987. Die Rekonstruktion der Sonderfahrten 1987 gestalten sich schwierig, da sie sehr oft zu dieser Zeit in der Region war. Außerdem ist sie an einem Tag auch mehrfach gefahren, wie die nächsten drei folgenden beiden Aufnahmen zeigen, die sie am selben Ort zeigen, nämlich in Höhe Bökerhöhe zwischen Remscheid Hbf und Remscheid Lennep.

Die erste Aufnahme in Hochkant zeigt die Lok auf der Strecke vor der Kurve Richtung Greul. Genau hier liegt die Ortschaft Bökerhöhe. In etwa in Höhe, auf der sich der Zug gerade befindet, gibt es seit etlichen Jahrzehnten bereits Bestrebungen dort einen Haltepunkt einzurichten. Ausreichend Wohnbebauung ist links und rechts der Strecke auch durchaus vorhanden Passiert ist allerdings nie etwas, und so zwängt man sich weiter auf die überlastete Hauptstraße, die Remscheid und Lennep miteinander verbindet. Die einzige Änderung, die der Ort dort erhalten hat, ist, dass in Folge des Sturmtiefs Kyrill der Bewuchs massiv zurück geschnitten wurde. Ansonsten sieht es dort heute noch genau so aus.

Nur 100m weiter wurden dann noch zwei Querformat-Aufnahmen angefertigt. Deshalb muss sie mindestens drei mal verkehrt sein. Dies entspricht auch den späteren Nikolausfahrten. Auch hier ist sie anfangs  jeweils drei mal pro Tag über Remscheid gekommen.

Etwas freundlicher, aber weit davon ab schönes Wetter darzustellen, ist die nächste Aufnahme. Auf diesem Bild ersichtlich ist ein für uns in Kindertagen äußerst wichtiges Instrument, welcher an dieser Stelle eine kleine Kindheitserinnung einzuschieben sinnvoll macht: Der Fernmelder der Bahnselbstanschlussanlage. Im Wesentlichen erfüllte er für uns 2 wichtige Anforderungen:

  1. Allerlei Devotionalien, die es als Halbstarker vor dem Zugriff der elterlichen Hand zu schützen galt, konnten hier wind- und wassergeschützt untergebracht werden. Ich weiß nicht mehr wo der Schlüssel dafür herkam, habe aber eine dunkle Vermutung dass der aus dem elterlichen Haus eines Nachbarkindes stammte. Der Fernmelder war wesentlich besser geeignet als das vorherige Versteck in den Leitungskanälen unter der Brücke Bökerhöhe.
  2. Zum anderen war der Fernmelder der Hinweisgeber, wenn unvorhergesehenes über die Strecke kam. Auf den Baum, der auf dem unteren Bild über dem Tender von 41 360 hervorragt, konnte man prima heraufklettern. Man hatte von dort den Überblick über das Vorsignal für Remscheid-Lennep, und auf der anderen Seite auf das Vorsignal für Remscheid Hbf. Von dort konnte man auch den Fernmelder klingeln hören, wenn ein Güterzug die Strecke passieren wollte, da sich dieser wohl beim Stellwerk anzumelden hatte. Der Baum war damit der ideale Beobachtungsposten und gefühlt hat man ganze Sommer darauf verbracht. Den Fahrplan hatte man sowieso im Kopf. Man wusste dass wenn der Zug aus Remscheid hoch kommt, man genau 6 Minuten Zeit hatte, bis der Gegenzug aus Lennep kam. Mit dem Fernmelder war man auch informiert wenn eine Sonderleistung die Strecke passieren wollte und konnte ausreichend schnell das Gleis räumen und sich zur Betrachtung positionieren. Am Rande sei erwähnt, dass wir dennoch oft genug Fersengeld geben musste wenn mal wieder eine Köf zur Kontrolle die Strecke entlang schlich und Personen aus ihr heraus sprangen. Alleine dass wir am Bahndamm spielten reichte aus. Verständlich aus heutiger, verantwortungsvoller Sicht.

Von der selben Position gibt es noch einen Nachschuss. Der Zug befindet sich unmittelbar vor der Eisenbahnbrücke über die A1 an der Anschlussstelle Remscheid. Sie, sowie die notwendige Aufrechterhaltung des Schienenverkehrs sind mit dafür verantwortlich, dass die Ausbaumaßnahmen der Autobahn auf drei Spuren an dieser Stelle zu einer kniffeligen Angelegenheit wurden. Die für die Region typischen Steinbogenbrücken hatten für drei Spuren einfach keinen ausreichend breiten Bogen. Schlussendlich wurde die Autobahn an dieser Stelle um einige Meter tiefer gelegt und so konnte die Bahn ohne Einschränkung weiter über die Brücke rollen. Anders ging es dem Straßenverkehr. Die in gleicher Bauweise direkt daneben gebaute Straßenbrücke über die A1 wurde gesprengt.

41 360 Nachschuss Remscheid-Bökerhöhe-Nachschuss, 12.06.1987

Begeben wir uns noch weiter westwärts Richtung Solingen, landen wir irgendwann in Güldenwerth. Erneut sehen wir das typische Remscheider Wetter wenn Sonderfahrt war. Die Aufnahme zeigt den Sonderzug bei der Durchfahrt durch Güldenwerth. Auch das sollte in den Folgejahren zum Standardprogramm gehören. In Güldenwerth gab es meines Wissens nur während der 100 Jahr Feier zur Müngstener Brücke Aufenthalt. Was es aber praktisch immer gab, waren Schaulustige am Bahnsteig. Das Foto, so wie es sich darstellt, gibt es wahrscheinlich dutzende Male exakt so im Archiv, mit der Lok und auch mit dem Wetter.

Güldenwerth bildet von Solingen kommend sozusagen den Ortseingang Remscheids, wenn man mit der Bahn kommt. Den Ortsausgang markiert Remscheid-Lüttringhausen, wo wir uns nun hin begeben. Auch dort wurden zwei Aufnahmen angefertigt. Von gutem Wetter kann man auch hier nicht unbedingt sprechen. Eine der Aufnahmen zeigt sogar das genaue Gegenteil. Der ersten Aufnahme konnte man noch so etwas die Farbe und Zeichnung entlocken.

Die zweite zeigt den Remscheider-Sommer wie er besser nicht dargestellt werden könnte:

Die letzten beiden Aufnahmen dieser Tour im Artikel kommen aus Wuppertal Wichlinghausen. Bei der Standortbestimmung konnte Michael Peplies von vauhundert.de dankenswert aushelfen, denn an mir ging die Rheinische Strecke / Nordbahn vollkommen vorbei. Allerdings wird es auch im Zuge dieser Website Zeit sie nun wenigstens mit dem Fahrrad zu erkunden.

Anlass der Sonderfahrt war wie erwähnt die Feierlichkeit anlässlich 90 Jahre Müngstener Brücke. Passenderweise trug der Zug auf den Umlaufschildern auch den Namen des Planers der Müngstener Brücke: Sonderzug Anton von Rieppel. Angesteuert wurde Düsseldorf Hbf, Solingen Ohligs, Solingen Hbf, Solingen Schaberg, Remscheid Lennep, Wuppertal Oberbarmen, Mettmann und wieder zurück nach Düsseldorf. Aber es war nicht die wirkliche Stunde 0.

Die wirklich erste Sonderfahrt

Die tatsächlich erste Sonderfahrt auf der Remscheider Strecke nach dem Dampflokverbot tätigte man mit der 41 360 bereits im Mai 1987. Hiervon gibt es auch einige Aufnahmen, die alle die Szenerie in Remscheid-Lennep zeigen.

Dem Voraus geht eine Aufnahme, bei der man die Lok von der anderen Seite sieht. Interessierten bot der Aufenthalt in Remscheid-Lennep die Gelegenheit, sich mal im Detail mit der Lok vertraut zu machen, Besuche im Führerhaus inklusive.

Offenkundig auf obiger Aufnahme ist, dass 41 360 noch eine Lok als Vorspann hatte. Ob das nur kosmetischer Natur für Fotofreunde war, oder sie tatsächlich mit 216 003-4 im Vorspann nach Lennep fuhr, entzieht sich meiner Kenntnis. So jedenfalls zeigte sich die Szenerie im Gesamten.

Ob 216 003-4 Gefallen an dem schönen Wetter gefunden hat und in Lennep verblieb? Von der Theke ist schwer loszukommen und Lollo steht gerade in der Loktankstelle, die dort noch einige Jahre verbleiben sollte. Heute ist dort die Robert-Schumacher-Straße. Eine interessante Randnotiz auf diesem Bild ist übrigens der Bahnsteig, welcher tatsächlich bis weit in den südlichen Teil des Bahnhofs reichte. Die heutigen Bahnsteige reichen so gerade für eine Doppeltraktion Triebwagen. Damit schwindet auch empfindlich die Hoffnung auf ein Wiederaufleben der einstigen Sonderfahrten mit anständig dimensionierten Zügen. Was hat diese Strecke von BR 01 bis BR 94 nicht alles an Sonderfahrten geduldig getragen?! Davon wird hier noch zu berichten sein.

Für 41 360 ging es ohne Vorspann weiter Richtung Wuppertal.

Und mit einem Nachschuss endet auch dieser Artikel. Auf dem Bild gut zu erkennen das Anschlussgleis zur Firma Wortmann, welches weniger Anschlussgleis war, sondern viel mehr der Zugang zum alten Bw Remscheid-Lennep. Hiervon haben mein Vater und Wilfried Sieberg fleißig Bilder getauscht. Da es auf bahnen-wuppertal.de ausreichend Bildmaterial zu sehen gibt, und dies zu 90% deckungsgleich mit dem meines Vaters ist, verweise ich gerne auch an dieser Stelle noch einmal auf die Seite. Zum folgenden Bild ist noch zu sagen, dass neben dem blauen Neubau noch der alte Ringlokschuppen zu sehen ist, welcher bis heute steht und genutzt wird. 1987 war auch das dritte Ausfahrgleis noch aktiv. Zum einen gab es zu der Zeit noch Güterverkehr, der über dieses Gleis auf die Hauptstrecke kam, zum anderen waren hinter Lennep zu dieser Zeit noch die Stumpfgleise des alten Waggonausbesserungswerks, wo zu der Zeit noch immer Waggons zumindest abgestellt wurden.

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