Beide Vereine sind mittlerweile längst Geschichte. Die Interessensgemeinschaft Bergische Bahnen, die nicht über einen eigenen Fuhrpark verfügte, wurde 2001 aufgelöst ging schließlich mit der Wupperschiene e.V. zur jetzt aktuellen Bergische Bahnen Förderverein Wupperschiene e.V. über. Die Dampflok-Traditionsgemeinschaft-Oberhausen e. V., die für die Nikolaus Sonderfahrten stets den Fuhrpark und Personal stellte, hat 2017 Insolvenz anmelden müssen.
Begonnen haben die Nikolauszüge mit den 41ern in den späten 80er oder frühen 90er Jahren, so ganz genau lässt sich das (von mir) nicht mehr bestimmen. Nach Aufhebung des Dampflokverbots war 41 360 ab Mai 1987 ohnehin ständig hier in der Region und auch ganz konkret auf der Strecke Solingen-Remscheid-Wuppertal unterwegs. Die Nikolausfahrten vor Weihnachten wurden dann zügig zu einer Tradition, die sich die ganzen 90er Jahre durchzog und auch in meinem Kalender stets mit einem roten Ausrufezeichen versehen war.
Gefahren wurde immer mit jeweils einer der beiden 41 an beiden Wochenenden gleich drei mal, das hieß insgesamt 6 volle Runden von Düsseldorf über Solingen und Remscheid nach Wuppertal und zurück nach Düsseldorf. Gehalten wurde an vielen Bahnhöfen und zugestiegen werden konnte beliebig. Das machte auch die Verfolgung einfach, zumal sowohl Vater als auch Sohn jeden Schotterstein der Strecke hinlänglich kannten.
Während der Fahrt begrüßte der Nikolaus stets die kleinen Gäste im Zug und überreichte eine reichhaltig gefüllte Nikolaustüte – wenn man denn brav war, aber das war unbestätigten Gerüchten zufolge praktisch immer der Fall. Entkommen konnte man dem Nikolaus ja ohnehin nicht im Zug.
Bis einschließlich 1995 wurde ohne Schublok gefahren. Lediglich bei der ersten Runde von 41 360 über den Remscheider Berg 1987 wurde auf eine Schublok bestanden, danach konnte konsequent ohne gefahren werden. Es war die Sonderfahrt von 64 491, die vor Güldenwerth auf freier Strecke hängen blieb, der man zu verdanken hatte dass die Nikolausfahrten ab 1996 auch wieder eine Schublok hatten. In der Regel kam hierfür die V 200 033 zum Einsatz, aber es gab auch Exoten wie die V180 314, die aus Dieringhausen abberufen wurde. Da lohnt sich auch mal ein Nachschuss.
Zugverfolgung – Ortskenntnis ist alles!
Eher noch als die Samstage waren es die Sonntage, die so manches mal Schweiß auf die Stirn des Fahrzeugführers trieben, Stichwort: Opa mit Hut unterwegs. Es gab einige Locations die immer wieder angefahren wurden, einfach weil der Zuglauf so eine optimale Verfolgung ermöglichte. Immer von Düsseldorf kommend, konnte man ihn noch vor Remscheid Hbf, also in Küppelstein oder Güldenwerth abpassen. Günstige Verkehrssituationen erlaubten es dann, dass man den Zug nach der Ausfahrt aus Remscheid Hbf, wo er nur 5 Minuten Aufenthalt hatte, erneut erwischen konnte. Da man auf der Hauptverkehrsstraße den direkten Blick auf den Bahnhof hatte, waren hier kurzfristige Entscheidungen möglich.
Die Sonderzüge waren nämlich in aller Regel im Plan – nicht dass am Ende noch Knecht Ruprecht noch auf die Lok gemusst hätte – und so war mit außergewöhnlichen Wartezeiten kaum zu rechnen und die Ausfahrt aus Remscheid Hbf war in der Regel nur zu erreichen, wenn man zuvor direkt aus Wuppertal kam, also die lange Wartezeit in Kauf nahm bis der Nikolaus mit seinem Zug von Wuppertal über Düsseldorf und Solingen wieder zurück nach Remscheid kam.
Deshalb düste man doch eher am Hauptbahnhof, wo 41 241 unmittelbar vor der Abfahrt stand, vorbei, und positionierte sich gut 2 Schienenkilometer hinter dem Hauptbahnhof in Höhe Mixsiepen, Bökerhöhe oder Greul, wobei Greul hier noch das beste Licht bot. Allerdings hatten die Jungs auf der Lok dort zur Einfahrt in Remscheid-Lennep längst den Regler geschlossen. So entschied man sich dann doch meist für Mixsiepen oder Bökerhöhe, wo noch in leichter Steigung liegend die Lok Volldampf gab.
In Lennep gab es dann regelmäßig längeren Aufenthalt, da hier der Speisewagen neu befüllt wurde – vor allem aber mussten für die nächste Tour natürlich die neuen Nikolaustüten verladen werden, die in einem alten Dienstgebäude, in welchem die Interessensgemeinschaft Bergische Bahnen e.V. ihr Domizil hatte, nur auf neue Kundschaft warteten.
Hinter Lennep wird’s still um den Nikolauszug – meistens
Man begab sich nun also am Besten direkt zum Bahnhof Lennep um die Ausfahrt festzuhalten und zu erleben, oder positionierte sich etwas weiter weg in Höhe der alten Drehscheibe. Meist jedoch sorgte der Lokführer nur für eine etwas lasche Anfahrt, wusste er doch dass, sobald er Lennep verlassen hat, es bis Wuppertal knackig den Berg herunter geht und viel mehr gebremst als Dampf gegeben werden muss.
Zwar positionierte man sich regelmäßig auch hinter Lennep noch irgendwo, bevor der Zug in Oberbarmen auf Gleis 1 einfuhr, wirklich erinnerungswürdig war das allerdings nicht mehr. Dennoch möchte ich noch eine Aufnahme zeigen, die aufgrund der tiefen Temperaturen immerhin noch eine anständige Dampffahne bei der zügigen Durchfahrt durch Remscheid-Lüttringhausen zeigt.
Zu der Zeit war, wie am Fahrkartenautomat zu sehen, noch der alte Bahnsteig auf Gleis 1 aktiv in Lüttringhausen. Außerdem lugt am oberen linken Rand noch das Vordach der Güterhalle des Güterbereichs der Lüttringhauser Bahnhofs hervor. Die Herrlichkeit hat hier auch längst ein Ende gefunden, wenngleich hier und bei Mannesmann noch immer die beiden letztverbliebenen Anschlussgleise für den beschaulich gewordenen Güterverkehr existieren.
Wasserfassen in Oberbarmen
Einmal pro Tag wurde trotz Toppel-Schlepptender Wasser gefasst und wie immer wurde dafür Wuppertal-Oberbarmen, Gleis 1 auserkoren. Auch viele weitere Dampfsonderfahrten bis in die Gegenwart nutzen das erst 1979 eingeweihte Gleis 1 im Oberbarmer Bahnhof für einen längeren Halt. Hier konnte man dann auch in aller Ruhe auf Tuchfühlung mit der Maschine gehen.
Nicht selten kam es in Oberbarmen am Bahnsteig zu tumultartigen Szenen, sodass man nicht Lokführer jener Züge hätte sein wollen, die auf Gleis 2, teils mit 120km/h, den Bahnhof passierten. So hörte man häufig schon aus der Ferne das schrille Pfeifen eines herannahenden InterCity und vermutlich stiegen die Stoßgebete der Lokführer über einer 120 ähnlich empor, wie der Dampf einer Dampflok bei der Anfahrt. Zu Material oder gar Personenschaden ist es meines Wissens aber nie gekommen und so verlief das ganze Jahrzehnt, nachdem man seit 1977 vergeblich auf Dampfverkehr wartete, äußerst ereignisreich im Bergischen Land.
Was ist mit Solingen?
Solingen wurde, obwohl sich durchaus lohnenswerte Motive boten, stets gemieden. Das lag (und ist in der Gegenwart noch immer so) einfach daran, dass man von dort so schlecht weg kommt. Während man den Remscheider Hbf von Wuppertal Hbf in etwas über 20 Minuten mit dem Auto gut erreichen kann, ist man von Solingen-Ohligs (heute Hbf) gut 45 Minuten unterwegs. Von Schaberg bis Güldenwerth sind es Luftlinie nur 2,5km oder 3,5 Schienenkilometer, aber mit dem Auto fährt man 20 Minuten. Zum Vergleich: Luftlinie liegen Remscheid Hbf und Wuppertal Hbf 10km auseinander. Bezöge man Solingen mit in die Planung ein, hätte man also auch die vierfache Fahrzeit einplanen müssen, was für eine Verfolgung kaum möglich ist.
So ist nicht nur plakativ zu erklären warum die heimische Wirtschaft vehement den Bau der Müngstener Brücke forderten, es erklärt auch warum das Archiv von Posten 17 hinsichtlich verfolgungsfähiger Sonderfahrten wie die Nikolaus-Sonderzüge, kaum Aufnahmen aus Solingen enthält, aber umso mehr aus Remscheid und Wuppertal.
Wie oben erwähnt sind Teile des veranstaltenden Vereins, der Interessensgemeinschaft Bergische Bahnen e.V. 2001 in den Förderverein Wupperschiene übergegangen. 2001 bzw. 2000 markiert somit auch das Ende der Nikolaus-Sonderzüge über Remscheid. 2019 hat der Förderverein Wupperschiene erstmals eine eigene Sonderfahrt als kleines „Brückenfest-Revival“ veranstaltet. Verlautbarungen zu Folge waren die Züge, obschon „nur“ von ihrer V60 gezogen, sehr gut ausgelastet.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere im Verein nach Corona ja noch mal daran, welcher Erfolg die Nikolausfahrten eigentlich waren, wenngleich der konsequente Rückbau der Infrastruktur der Strecke ein Wiederaufleben schwierig erscheinen lässt. Es ist bezeichnend dass Remscheid nun zwar durchweg behindertengerechte Bahnsteige hat, keiner aber länger als 100 Meter ist; dass Ausweichgleise entfernt wurden; dass Bahngebäude an privat verkauft oder direkt abgerissen wurden – und dass aber gleichsam für den Individualverkehr kräftig Straßen, Autobahnen und Kreuzungen ausgebaut wurden und werden.
Es muss ja aber auch nicht zwingend direkt eine 41 mit 6-8 Reisezugwagen sein, wenngleich 41 360 schon schmerzlich vermisst wird. 41 241, einst als Ersatzteilspender abgestellt, hat es bei der VSM in den Niederlanden ja zum Dritten Leben geschafft.
Dieser Artikel enthält nur die Bilder der Nikolausfahrten aus 1998, welche bei offenkundig bestem Winterwetter stattfanden, obwohl es schon das eine oder andere Mal ein wenig Schnee statt nur Bodenfrost hätte geben können. 41 241 war vereinzelt anzutreffen, wesentlich häufiger war allerdings 41 360 Zuglok. Deshalb wird es noch einen weiteren Artikel geben, in dem ich ein Best-Of mit 41 360 aus all den Jahren zeigen werde – dann aber meist bei bescheidenerem Wetter.
Ich habe alles gegeben, jetzt bist Du am Zug!
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